Ratzeburg/Lübeck (aa). In der Folge des Rechtsstreits zwischen dem mittlerweile abgewählten Ratzeburger Bürgermeister Gunnar Koech und dem Ratzeburger Medienunternehmer Andreas Schipplick war gestern (4. November) der erste von zwei zunächst angesetzten Gerichtsterminen beim Amtsgericht in Lübeck. Koech, der auf der Anklagebank Platz nahm, muss sich des Vorwurfs der „falschen Verdächtigung“ erwehren. Zum Auftakt wurden zunächst die Zeugen Magnus und Simona Klar befragt.
Eines war schon heute vor Verhandlungsbeginn klar: dieser Fall ist ein wahrer Strafrechtskrimi mit verschiedenen Zeitebenen. Den Anstoß für die heutige Verhandlung findet man im Bürgermeisterwahlkampf aus dem Frühjahr 2019. Gunnar Koech stellte sich damals als einer von mehreren Kandidaten als neuer Verwaltungschef der Stadt zur Wahl. Als finanzstarker Unterstützer hatte er Andreas Schipplick in seinem Team und wie man gestern im Laufe der Zeugenvernehmung erfuhr, auch das Ehepaar Klar, die ehrenamtlich die Wahlkampagne für Koech erstellten. Noch vor dem ersten Wahlgang kam es zum Zerwürfnis sowohl zwischen Koech und Schipplick, als auch zwischen Koech und den Klars. Während letzteres eher geräuschlos verlief, wurde der Streit zwischen Koech und Schipplick zum Stadtgespräch.
Schipplick beschuldigte in einem Flugblatt unter dem Titel „Stadt Gespräch“ kurz vor der Bürgermeisterwahl Koech in der Vergangenheit der Errichtung einer Cannabisplantage im Haus von Koechs Fahrradladen sowie der Beteiligung an einem fingierten Darlehensvertrag. Koech ließ daraufhin mit einer einstweiligen Verfügung die Verteilung des Flugblatts stoppen. In einer eidesstattlichen Erklärung gab er an, dass alle Beschuldigungen unwahr seien. Zudem zeigte er Schipplick wegen „übler Nachrede“ und „Verleumdung“ an (Herzogtum direkt berichtete).
Bereits im Mai zog Koech seine einstweilige Verfügung zurück (Herzogtum direkt berichtete). Die ermittelnde Kriminalpolizei kam nach Befragung der zur Verfügung stehenden Zeugen zum Schluss, dass „der Tatvorwurf der Verleumdung“ nicht haltbar sei. Zudem läge der Schluss nahe, dass Koechs Versicherung an Eides statt „demnach bewusst falsch abgegeben worden“ sei. Die Staatsanwaltschaft Lübeck wurde gebeten, dieses strafrechtlich zu prüfen. Die klagt nun Koech wegen falscher Verdächtigung an.
Während die juristische Auseinandersetzung zwischen Schipplick und Koech in 2019 ihren Anfang nahm, reicht die Beschuldigung, dass Koech in seinem Haus eine Hanfplantage gehabt habe, noch weiter in die Vergangenheit nämlich ins Jahr 2006 zurück. Dies war auch heute während der Verhandlung zu erfahren.
Die beiden ersten und einzigen Zeugen an diesem Verhandlungstag sind Magnus und Simona Klar. Beide geben einzelnd voneinander befragt an, dass Gunnar Koech ihnen gegenüber im Vorfeld der Kandidatenrunde 2019 in der Ratzeburger Riemannhalle im Rahmen eines Coachings gegen die situationsbedingte Aufregung direkt zugegeben hätte, dass er 2006 um eine Hanfplantage auf seinem Dachboden wusste. Er hätte Angst gehabt, dass während der Vorstellungsrunde der Ratzeburger Gastronom Aydin Güzel die Geschichte sowie die von den fingierten Darlehensverträgen auffliegen lassen könnte. Das Ehepaar Klar geben weiter an, dass sie – geschockt von dieser Information – sich daraufhin aus dem Wahlkampfteam zurückzogen. „Für uns war das ganz schlimm und wir wollten das nicht unterstützen“, gibt Simona Klar vor Gericht bekannt. Zuvor hatte sie auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärt, dass ihre ehrenamtliche Ausarbeitung der Wahlwerbekampagne für Gunnar Koech einen Wert von rund 5.000 Euro gehabt habe. „Wir fanden seine Argumente zur Bürgermeisterwahl gut, wir wollten was für unsere Stadt tun und daher wollten wir auch, dass er gewinnt“, beschreibt Simona Klar ihre Motivation, warum sie sich damals dem Wahlkampfteam Koechs anschloss.
Aydin Güzel ließ die Bombe jedoch nicht in der Riemannhalle platzen. Laut den Aussage von Magnus Klar hatte Andreas Schipplick nach der Kandidatenvorstellungsrunde eine Zufallsbegegnung mit Aydin Güzel. Nachdem nun auch Schipplick von der Geschichte mit der Canabisplantage erfuhr, folgte ein Anruf seinerseits bei den Klars, die ihm dieses ihrerseits bestätigen konnte. Schipplick zog seinerseits die Notbremse und stieg ebenfalls aus dem Wahlkampfteam Koechs aus und die stadtbekannte Auseinandersetzung begann.
Magnus Klar wurde am heutigen Prozesstag als erster Zeuge befragt. Mehrfach muss er zugeben wegen des zeitlichen Abstands von mittweile drei Jahren sich an viele Details nicht mehr zu erinnern. Auch wenn seine Aussagen mit seiner Frau, die als zweites befragt wurde, weitestgehend deckungsgleich sind, findet Koechs Anwalt Professor Dr. Michael Gubitzes eben wegen zahlreicher Erinnerungslücken bei einigen Details scheinbare Widersprüche – sowohl im Vergleich zur Aussage Simona Klar als auch zur Formulierung einer 2019 abgegebenen eidesstattlichen Erklärung der beiden. Gubitz zweifelt aufgrund dieser Schwäche Magnus Klars dessen Glaubwürdigkeit an. Er halte die Aussagen „für abenteuerlich und konfus“ und vertrete daher die Auffassung, dass Magnus Klar in der Schlussfolgerung damals eine falsche eidesstattliche Erklärung abgeben habe. „Einen Schuldspruch [gegen Gunnar Koech] halte ich daher für nicht tragbar“, so Koechs Verteidiger am Ende des ersten Verhandlungstages. Wesentlich besser vorbereitet und sortiert zeigte sich jedoch Simona Klar, weshalb wahrscheinlich auch der Staatsanwalt an Ende des ersten Verhandlungstages eine andere Auffassung als Koechs Anwalt vertritt. So habe der Staatsanwalt „kein Problem den Zeugen voll und ganz zu glauben“.
Die Verhandlung soll mit weiteren Zeugenbefragungen am 18. November 2022 um 9 Uhr fortgesetzt werden.