Herzogtum Lauenburg (pm). Die Schleswig-Holstein Netz AG (SH Netz) hat ein fotorealistisches, digitales Abbild ihres Stromnetzes erstellt – einen sogenannten „digitalen Zwilling“ mit hochauflösenden Luftaufnahmen. Am digitalen Abbild führt SH Netz umfangreiche Netzsimulationen durch. So kann das Unternehmen unter anderem den Zustand der Bauteile oder den Baumbewuchs an Stromleitungen auswerten und bewerten und bei Auffälligkeiten seine Instandhaltung und Wartung darauf anpassen. Damit kann der Netzbetreiber die Versorgungssicherheit weiter Teile Schleswig-Holsteins nachhaltig erhöhen.
900.000 Gigabyte Daten für 3.000 Kilometer Hochspannungsleitungen in Schleswig-Holstein
Für die Digitalisierung des insgesamt 3.000 Kilometer langen Hochspannungsnetzes hat SH Netz spezielle Luftaufnahmen anfertigen lassen. Ausgestattet mit 19 Kameras und hochmodernen 3D-Laser-Scan-Sensoren, erfasst ein spezielles Multisensor-System von Siemens Energy, welches unter einem Hubschrauber angebracht wird, alle relevanten Inspektionsdaten während eines einzigen Fluges entlang einer Leitung. So kommen pro Leitungskilomter bis zu 12.000 Bilder und eine Vielzahl an 3D-Daten zusammen – insgesamt 900.000 Gigabyte.
Künstliche Intelligenz unterstützt Menschen bei Auswertung
Während ein Mensch zur Auswertung der Bilder viele Stunden bräuchte, benötigt die auf Künstlicher Intelligenz basierende Software von Siemens Energy nur wenige Minuten. Die KI wurde zuvor mit mehr als zwei Millionen Bildern von europäischen und nordamerikanischen Netzen trainiert, um Auffälligkeiten und Fehlerstellen auf Leitungsbildern automatisch zu erkennen.
„Der digitale Zwilling, die Auswertung der Daten mit Hilfe künstlicher Intelligenz und die Möglichkeit weiterer Netzsimulationen heben die Leitungsinspektion auf ein neues Level“, erklärt Projektleiter Steffen Kupke von SH Netz. So werde insbesondere die Effizienz der Kontrolle gesteigert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. „Den Technikern bleibt so mehr Zeit für Aufgaben, bei denen eine händische Bearbeitung unerlässlich ist, wie zum Beispiel Wartungs- und Installationsarbeiten. Das Modell des Digitalen Zwillings fügt sich zudem ideal in unser Prinzip der vorausschauenden Instandhaltung ein, auch Predictive Maintenance genannt.“ So arbeitet SH Netz auch in Bereichen der Geräte- und Kabelsanierung mit Algorithmen, die unter anderem Wetter- und Lastflussdaten zur Berechnung der Lebensdauer von Betriebsteilen und den damit einhergehenden Sanierungsintervallen einbeziehen.
Drohne statt Helikopter?
In Zukunft könnte der Einsatz von Drohnen die Inspektion von Leitungen noch einmal deutlich vereinfachen und verbessern. Dazu erprobt ein Projektkonsortium bestehend aus den Netzbetreibern SH Netz und Bayernwerk sowie Siemens Energy bereits die entsprechende Technologie namens SIEAERO. Ein Demonstrationsflug mit einer Langstrecken-Drohne fand vergangene Woche in Nordbayern statt. Bei diesem handelte es sich um eine Premiere: Der erste Flug außerhalb der Sichtweite („Beyond Visual Line of Sight“, BVLOS) des Piloten an kritischer Infrastruktur und unter dem vereinfachten Betreiberzeugnis der der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) für Drohnen (dem sogenannten EASA Light UAS certificate). Die Vorteile liegen auf der Hand: Drohnen fliegen deutlich umweltfreundlicher und leiser als Helikopter, besondere Stellen könnten gezielter angeflogen werden. Derzeit ist es jedoch noch in keinem Land möglich, unbemannte Luftfahrtzeuge außerhalb der Sichtweite der Piloten in größerem kommerziellem Rahmen einzusetzen.