Ratzeburg (tbi). Gut 100 Tage ist Eckhard Graf Bürgermeister der Kreis- und Inselstadt. Zeit, nach den ersten Erfahrungen mit Verwaltung, Politik und den Bürgerinnen und Bürgern zu fragen, nach vielleicht überraschenden Erkenntnissen und den größten Herausforderungen in den kommenden Monaten
Herzogtum direkt: Ferienzeit, eigener Urlaub und bestes Segelwetter in diesem Sommer. Konnten Sie schon ganz im Rathaus ankommen?
Eckhard Graf: Im Rathaus bin ich angekommen; dieser Prozess ist aber noch nicht ganz zu Ende. Nach 100 Tagen im Amt befinde ich mich aber auf einem guten Weg. Die Arbeit bringt mir viel Freude. Meine Erwartungen an das, was mich hier an Aufgaben und Herausforderungen beschäftigt, stimmen mit den ersten Erfahrungen der täglichen Arbeit überein.
Wie haben Sie die Verwaltung nach knapp einem Jahr ehrenamtlicher Leitung vorgefunden?
Mein Eindruck ist, dass die Verwaltung sehr gut und professionell mit dieser schwierigen Übergangssituation umgegangen ist. Ich habe es mit sehr professionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun, die mir den Einstieg leicht gemacht haben. Natürlich muss man sich „beschnuppern“ und erfahren, wie jeder Einzelne auf eine Ansprache reagiert, so wie ich es gewohnt bin. Es ist in dieser Zeit gut gelungen, Verunsicherungen abzubauen. Alle Gespräche verlaufen freundlich und wenn es inhaltlich wird, sind es immer zielorientierte Ansätze. Ich bin natürlich ein anderer Mensch, als meine Amtsvorgänger, aber jeder hat so seinen Stil und ich glaube, wir kommen hier gut zusammen.
Haben Sie in der Verwaltung noch Nachwirkungen aus der Zeit zwischen 2019 und Spätsommer 2021 wahrgenommen?
Nein. Mein Eindruck ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Kapitel abgeschlossen haben und gemeinsam mit mir und der Stadtpolitik nach vorne blicken.
Im Wahlkampf mit den vier Mitbewerbern waren – zumindest gefühlt – die meistgenannten Vokabeln „Transformation“ und „Digitalisierung“. Was ist da bislang geschehen, was ist konkret geplant?
Erst einmal haben wir unsere EDV-Abteilung personell wieder besetzt. In den nächsten zwei Monaten erwarten wir zwei neue Mitarbeiter, die gemeinsam mit der Rathausverwaltung und des Schulverbands die technischen und organisatorischen Herausforderungen, die uns das Online-Zugangsgesetz aufgibt, lösen werden. Wir suchen die Startlöcher, aus denen wir dann mit Schwung herauswollen. Dieser Prozess wurde in der letzten Zeit nicht mit Nachdruck verfolgt. Wir machen uns daran und ich bin sicher, wir werden nicht die Letzten sein, die die modernen Anforderungen an ein Rathaus, das auch digitale Herausforderungen meistern will, stemmen werden.
Eine Wahlkampfaussage von Ihnen lautete, die Arbeit von Rainer Voß fortsetzen zu wollen. Was sind – nach 100 Tagen im Amt – jetzt Ihre eigenen Impulse, die Sie geben möchten?
Bei der Aussage war mir wichtig, dass ich volksnah den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ausüben und pflegen möchte, wie Rainer Voß es getan hat. Natürlich habe ich meinen eigenen Stil. Zu den Impulsen: Ich nutze alle Gelegenheiten, die Vereine, Verbände und Organisationen in Ratzeburg näher kennenzulernen. Dabei bin ich davon überzeugt, dass wir auch regional denken müssen, also in Richtung Hansestadt Lübeck, in Richtung Kreis. Auch der Kreis Herzogtum Lauenburg gehört zur Hanse-Belt-Region. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung möchte ich den Gedanken auch hier in der Ratzeburger Wirtschaft platzieren, nicht nur lokal, sondern auch regional zu denken und die Chancen mit zu nutzen. Es wird sich ein Wirtschaftsraum entwickeln zwischen der Metropole Hamburg, dem Oberzentrum Lübeck und der Metropole Kopenhagen, wenn die Verkehrswege erst einmal stehen und genutzt werden. Dann werden auch gesellschaftliche und kulturelle Kontakte geknüpft, die auch der wirtschaftlichen Stärkung unserer Region dienen werden. Von der Haupttrasse der A1 ist Ratzeburg ein wenig entfernt; da muss Werbung gemacht werden, dass auch wir ein Teil dieser Region sind. Das geht nur, wenn ich rausgehe und das Gespräch mit den Menschen suche. Und, ich nutze alle Möglichkeiten, auch das Bürgerfest, das für mich eine einzige große Bürgersprechstunde gewesen ist.
Bei allen Gesprächen mit Mitarbeitenden, Mandatstragenden, Bürgerinnen und Bürgern: Was hat Sie am meisten Überrascht?
Dass der Ruf der Ratzeburger Bürgergesellschaft, der von einigen Menschen schlecht geredet wird, viel besser ist. Ich habe hier überall kompetente Ansprechpartner und werde auch als kompetenter Ansprechpartner wertgeschätzt. Das Tatsächliche empfinde ich als viel fruchtvoller als den schlechten Ruf, den man immer wieder aufgesagt bekommt.
Was erhoffen Sie sich – auch als Mitglied der SPD – von der Kommunalwahl im Mai 2023?
Es ist richtig, dass ich Mitglied der SPD bin; damit habe ich auch überhaupt keine Magenschmerzen, ich bin das gerne und auch aus Überzeugung. Aber ich werde mich nicht in den Kommunalwahlkampf einmischen. Als Bürgermeister bin ich Ansprechpartner für alle Parteien und ich spreche auch mit allen, die mit mir sprechen wollen.
Wie klappt die Terminabstimmung mit Stadtpräsident Ottfried Feußner?
Wir haben aufgrund des Altersunterschieds ein „väterliches Verhältnis“ würde ich sagen. Wir verstehen uns sehr gut und sprechen über alle Dinge, die im repräsentativen Bereich zu erledigen sind und stimmen die jeweilige Wahrnehmung von Terminen ab. Es gibt da keine Kommunikationsprobleme.
Macht es – zumindest in den ersten 100 Tagen – Spaß, Bürgermeister in Ratzeburg zu sein?
Ja, das bringt mir viel Freude. Ich werde das häufig gefragt und muss dann immer sagen, dass ich meinen Hauptberuf gewechselt habe und mein Ehrenamt in Groß Grönau (Anmerkung der Redaktion: Eckhard Graf war dort viele Jahre Bürgermeister) aufgegeben habe. Ich blicke mit Dankbarkeit zurück, aber ich konzentriere mich voll und ganz auf meine Aufgabe hier und fühle mich auch ausgelastet. Ich bin aber froh und dankbar, dass ich diesen Weg gegangen bin.
Was sind die größten Herausforderungen oder Probleme, die Sie in den nächsten Monaten für das Bürgermeisteramt sehen?
Wir werden uns in der Stadt Ratzeburg mit der Energieeinsparung auseinandersetzen müssen. Da brauchen wir ein partnerschaftliches Verständnis, wie wir diese Dinge kurz-, mittel- und langfristig angehen wollen. Da benötigen wir auch die Mithilfe des Kreises bei Baumaßnahmen und wenn es um Abwägungsprozesse geht, die den Klimaschutz nach vorne stellen und Energie-Einsparungsmaßnahmen in den Fokus rücken. Das wird für uns in der Kommune die größte Herausforderung sein.
Zum Abschluss eine zweiteilige persönliche Frage: Sie hatten während des Wahlkampfes angekündigt, Ihren Wohnsitz nach Ratzeburg zu verlegen, hat das schon geklappt? Und was ist seit rund 100 Tagen die größte Veränderung in Ihrem Leben?
Ja, meine Frau und ich wohnen hier auf der Insel, das ist mein erster Wohnsitz. Vor der Zeit hier im Rathaus hatte ich auch bereits ein ausgeprägtes ehrenamtliches Arbeitspensum zu leisten, sodass sich in der Frage keine größere Belastung eingestellt hat. Es fokussiert sich jetzt eben auf die Stadt Ratzeburg mit einem enormen ehrenamtlichen Potenzial. Das hat mich überrascht und ich habe auch noch längst nicht alle Vereine besucht.
Meine Frau und ich sind sehr glücklich über die Entwicklung in den letzten Wochen und wir freuen uns, dass wir hier sind und so eine lebensbereichernde Phase erleben dürfen.
Vielen Dank Eckhard Graf.
Das Gespräch wurde gekürzt.