Ratzeburg (tbi). Die Amtsübernahme Eckhard Grafs im Ratzeburger Rathaus und der Geburtstag seines Vor- Vorgängers Rainer Voß liegen nur wenige Tage auseinander. Von 2007 bis 2019 war Voß Verwaltungschef der Inselstadt. In dieser Zeit gab es Höhen und Tiefen, Bewegendes und Routiniertes. Wie denkt Rainer Voß heute über diese Zeit und wie schätzt der Ratzeburger die Perspektive der Stadt ein? Herzogtum direkt hat den Verwaltungsfachmann im Ruhestand zu einem exklusiven Gespräch eingeladen.
Herzogtum direkt: Eckhard Graf ist nun auch Ihr neuer Bürgermeister. Welche Gedanken verbinden Sie damit?
Rainer Voß: In erster Linie schwingt Freude mit. Ich freue mich für Herrn Graf und habe ihm herzlich auch schon direkt nach Auszählung der Stimmen gratuliert. Wir sind uns in der Zusammenarbeit mit dem Amt Lauenburgische Seen oft begegnet; ein sehr freundlicher, zugewandter und kompetenter Bürgermeister in seiner Gemeinde.
Während des Wahlkampfes hat Eckhard Graf öffentlich gesagt, dass er die Arbeit von Rainer Voß fortsetzen möchte. Hat das etwas in Ihnen ausgelöst oder haben Sie sich vielleicht auch die Frage gestellt: Nützt ihm das jetzt mehr oder könnte es ihm vielleicht sogar schaden?
(Lacht) Vielleicht hat er damit gemeint, dass er die Präsenz, die mir im Amt immer sehr wichtig war – überall an Veranstaltungen und auch auf den öffentlichen Plätzen ansprechbar zu sein -, ehrliches Interesse auch bei den Vereinen und Verbänden zu zeigen und sich Wünsche und Anregungen anzuhören, fortführen möchte. Bei solchen Gelegenheiten lassen sich auch manchmal Dinge erklären und ich selbst habe immer überlegt: Kann ich helfen, was kann ich bei dieser Angelegenheit tun? Wenn man sich das aufschreibt, damit nichts vergessen wird, dann ist das ein guter Ansatz und ich glaube, so hat er das gemeint. Und das wird er auch machen.
Haben Sie die Geschehnisse in Ratzeburg in den vergangenen drei Jahren aufmerksam verfolgt oder haben Sie auch einfach mal „abgeschaltet“?
Ich beziehe das auf die Weiterentwicklung der Projekte, die ich davor mit begleiten oder beginnen durfte; das hat mich sehr interessiert. Ruderakademie, südlicher Inselrand, Schwimmhalle, alles Projekte, die jetzt Gestalt angenommen haben; die Vorplanungen und Finanzierungsmaßnahmen haben rund zehn Jahre gedauert. Ich lese auch weiterhin die städtischen Vorlagen und Protokolle (Anm.: öffentlich im Sitzungsinformationssystem einsehbar). Mit den Mitarbeitern der Verwaltung und der Kommunalpolitik konnte das alles auf den Weg gebracht werden. Heute freue ich mich einfach, am Bauzaun stehen zu können und zu sehen, wie das Wirklichkeit wird.
Planungsprozesse dauern oft länger, als Amtszeiten. Sie haben als neuer Bürgermeister die Umgestaltung des bis heute viel diskutierten Marktplatzes „geerbt“. Eckhard Graf erbt nun die Projekte der Daseinsvorsorge. Sie haben unter anderem in unzähligen Ausschusssitzungen die Planungen begleitet. Kommt da so etwas wie Wehmut auf? Hätten Sie einige Projekte gern früher auf den Weg gebracht?
Nein, ich habe ja gleich angefangen, Dinge anzustoßen. Es ist normal, dass die Planungsprozesse großer Projekte jahrelang dauern. Es ist ganz klar, dass man nicht alle Projekte, die man beginnt, in seiner Dienstzeit zu Ende bringen kann. Wenn es dann mal einen Tag der offenen Tür oder eine Besichtigung geben kann, schaue ich mir das dann an und freue mich einfach darüber. Ja, das „Erbe“ mit dem Marktplatz war nicht ganz einfach, aber wir haben ja sogar versucht, zehn Jahre nach der Fertigstellung ein kleines Jubiläum zu feiern über die „Marktplatzdiskussionen danach“. Ich dachte, wir machen mal ein satirisches Fest dazu, das wurde nicht so ganz ernst genommen. Der Marktplatz ist auch dazu da, immer wieder zu diskutieren. Nicht nur über ihn, sondern auch auf ihm – über alle Dinge. Ich wünschte mir viel mehr Diskussion, allerdings muss ein Thema auch irgendwann einmal abgeschlossen sein.
Sie sind in der Stadt eine bekannte Persönlichkeit. Wurden Sie mal angesprochen „ach, hätten Sie als Bürgermeister doch weitergemacht!“?
Das habe ich gehört. Aber ich habe dann auch erklärt, dass 12 Jahre wirklich genug sind. Das haben aber auch alle, die das ernsthaft gefragt haben, dann verstanden. Jeder weiß, dass es auch mal schön ist, einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können. Aber natürlich habe ich mich auch über diese Rückmeldungen zu meiner Amtszeit gefreut.
Bei Ihrer Rede auf dem Neujahrsempfang 2018 haben Sie an die Menschen der Stadt Ratzeburg appelliert „meckern Sie weniger!“. Ist für Sie seitdem in der Stadt im Miteinander eine Veränderung spürbar geworden?
Ich empfinde das so nicht mehr. Ob mein Appell dazu beigetragen hat, weiß ich nicht. Ich empfinde, dass viele Menschen sehr zufrieden und sehr glücklich sind. Es gibt viele Dinge, über die man diskutieren kann, viele Dinge, die noch fehlen, das ist klar. Aber nicht im Sinne von „meckern“, sondern konstruktiver Kritik. Und ich glaube, so habe ich das damals auch gemeint.
Sie sind nicht der Mensch, der seinem Nach- Nachfolger im Amt Empfehlungen oder Ratschläge mitgibt, aber gibt es etwas, was Sie Eckhard Graf für die nächsten sechs Jahre wünschen?
Ich wünsche ihm, dass er Erfolg mit seiner Arbeit hat, dass er, wie er es im Wahlkampf vermittelt hat, das Amt lebt und dass er die Akzeptanz erlebt im Bereich der Kommunalpolitik. Auch da wird er einen guten Weg finden. Das Zusammenzubringen ist eine Aufgabe, das wird ihm aber gelingen. Ich glaube auch, dass mir das gelungen ist, -auch wenn es nicht immer so ausgesehen hat.
Rainer Voß wirkt nie wie ein Mensch, für den Lageweile ein Phänomen ist, das es zu bekämpfen gilt. Was sind heute Ihre Interessensschwerpunkte?
Allen voran die Familie, das ist klar und war natürlich auch vorher so. Damals war ich in Gedanken aber manchmal schon bei der nächsten Sache, die ein Bürgermeister vorhat, denn es war jeden Tag etwas zu tun; gerade auch an Wochenenden. Dass das nicht mehr der Fall ist, habe ich von Anfang an genossen. Mit viel Zeit unbegrenzt der Familie zur Verfügung stehen zu können, ist sehr schön.
Aber ich engagiere mich auch für die Menschen in der Stadt. In unserer Kirchengemeinde haben wir sehr viele Geflüchtete aus dem Iran gehabt, denen wir in ihren Asylverfahren helfen konnten. Wir konnten helfen, dass Menschen in Arbeit oder Ausbildung gekommen sind.
Im Ratzeburger Ruderclub bin ich schon lange Mitglied, hatte während der Amtszeit aber nie die Zeit, aktiv zu sein. Das Rudern habe ich jetzt neu gelernt und gemeinsam mit der sogenannten „Montagsrunde“ macht es mir und allen anderen sehr viel Spaß.
12 Jahre Bürgermeister sind ein großer Lebensabschnitt. Was fehlt Ihnen aus dieser Zeit heute am meisten?
(Überlegt) Die umfangreiche Arbeit und die ständige Präsenz fehlen mir jetzt nicht (lacht); wenn man das überhaupt als „Fehlen“ bezeichnen kann. Und was ich immer sehr gemocht habe, war das gemeinsame Freuen über Erfolge; dass man es genießen konnte, wenn etwas gelungen war.
Was wünschen Sie sich für die Stadt Ratzeburg in den nächsten Jahren?
In erster Linie für uns alle Frieden und eine sehr positive Entwicklung für die Stadt, bei der auch die Entwicklung der Innenstadt vorangetrieben wird. Das sind große Aufgaben, die viele kleine Städte vor sich haben und es ist nicht einfach. Ich bin aber überzeugt, dass es gut wird.
Vielen Dank und alles Gute Rainer Voß.
Das Gespräch wurde gekürzt.