Schönberg (pm). Ob ein 175. Geburtstag ein sogenannter runder Geburtstag ist, mag ein jeder Mensch für sich entscheiden. Für eine Orgel ist es ein erstaunliches Alter, jedenfalls, wenn man bedenkt, wieviel Originalsubstanz das Instrument, um das es hier geht, in sich birgt.
Orgeln können an und für sich wesentlich älter werden – es gibt spielbare Instrumente aus dem 15. Jahrhundert. Schon Schönbergs Museumsgründer und Organist Fritz Buddin schrieb anlässlich des 100. Geburtstages der Winzer-Orgel in der Schönberger St.-Laurentiuskirche:
„Man sollte nicht immer von unserer alten Orgel sprechen. Sie ist mit ihren 100 Jahren verhältnismäßig noch jung! Und wo wäre denn irgendwelchem Hörer bei ihr ein Zeichen von Altersschwäche aufgefallen? Na – ich meine!“ Besagte Orgel, deren 175. Geburtstag die Kirchengemeinde St.-Laurentiuskirche Schönberg/Mecklenburg am Sonnabend, 5. Februar mit einer musikalischen Andacht feiert, ist nahezu original erhalten und funktionstüchtig.
Im Februar 1847 eingeweiht, pflegte ihr Erbauer Freidrich Wilhelm Winzer sie bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn, in den 1890er Jahre gab es eine erste gründliche Revision durch Pommerns bedeutenden Orgelbauer Grüneberg. Er veränderte dabei ein Register und verfeinerte die Intonation.
Da die Orgel bereits vom Erbauer etwas größer geplant war, ergab sich die Möglichkeit einer kleinen Erweiterung im Jahre 1911, als der Lübecker Orgelbauer Kemper eine weitere Stimme einbaute. Gravierender war der Verlust der sichtbaren Pfeifen in der Front der Orgel im Jahre 1917. Der Krieg verlangte Opfer, und Buntmetall wurde auf kaiserlichen Befehl hin eingezogen, wo es ging, dies betraf Orgeln und Glocken.
Mit einem Ersatz aus dem Dachrinnenmaterial Zink in den 1920er Jahren ging es dann in unsere Zeit bis zur großen Restaurierung von 2006 bis 2008 durch die renommierte Orgelbauwerkstatt Schuke in Potsdam/Werder (Havel) weiter. Die Dachrinnenpfeifen verschwanden wieder, dem Original entsprechende neue Zinnpfeifen nahmen ihren Platz ein, und die Orgel wurde eigentlich jetzt erst im Sinne ihres Erbauers vollendet und verfügt nun in 26 Registern über 1379 klingende Pfeifen. 1380 sind es, wenn man die eine „stumme“ Pfeife, die aus Symmetriegründen in der Front steht, berücksichtigt.
Was wichtig ist – nie wurde das kostbare Instrument in seiner Grundsätzlichkeit angetastet; es fand Freunde und Bewunderer auch in Epochen anderer Klanggewohnheiten. Das sicherte seinen Erhalt, und so kann man sich heute über authentische Klänge aus der Mitte des 19. Jahrhunderts freuen. Und damit nicht nur das: diese bergen ja die Tradition der Zeiten davor. In dem Geburtstagsprogramm, das von Kirchenmusikdirektor Christoph D. Minke am 5. Februar gespielt wird, wird Musik aus dem Barock erklingen.
Ein Praeludium des Buxtehude-Schülers Nikolaus Bruhns (1665-1697) macht den Anfang, Johann Sebastian Bachs große Toccata in C-Dur steht am krönenden Ende des Programms. In diesem mehrteiligen Werk verbindet Bach auf der Höhe seiner Virtuosität norddeutsche wie italienische Elemente mit Sentiment und ausufernder Freude. Zwischen diesen beiden Werken werden Bearbeitungen des alten Liedes „Wach auf, wach auf, s’ist hohe Zeit“ von Komponisten des 20. Jahrhunderts erklingen.
Die Andacht findet, wie derzeit alle Gottesdienste, im „3G-Modus“ statt und beginnt nach dem Abendläuten um 18 Uhr. Sie wird 30 bis 40 Minuten dauern. Der Eintritt ist frei.