Ratzeburg (tbi). Feuerwehrfahrzeuge und sehr viele traurige Gesichter: Am Freitag, 21. Januar 2022, nahmen Familie, Freunde und Angehörige der großen Blaulichtfamilie im Ratzeburger Dom Abschied von Matthias Liebicher.
Ein Abschied mit ungeplantem Hindernis: Eine Minute vor Beginn des Trauergottesdienstes erhielt die Feuerwehr eine Alarmierung: Feuer in der Straße Domhof. Das bedeutete für einige Kameradinnen und Kameraden zu den Fahrzeugen zu eilen, sich umzuziehen und sich um den Einsatz gegenüber vom Dom zu kümmern. Das in einer Garage ausgebrochene Feuer konnte schnell unter Kontrolle gebracht werden.
Herzogtum direkt – Leser Lothar Obst aus Mölln machte unsere Redaktion darauf aufmerksam, dass der verstorbene Brandmeister mit dem Spitznamen „Gigi“ auch aus der jüngeren Geschichte Möllns nicht wegzudenken ist.
Warum Matthias Liebicher auch bei den Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Ratzeburg stets „Gigi“ genannt wurde, weiß Wehrführer Christian Nimtz nicht. „Matthias war schon immer Gigi“, sagt Nimtz. Der Wehrführer beschreibt Gigi als einen Kameraden, der sehr viel ehrenamtliches Engagement in die Gesellschaft und für seine Mitmenschen investiert hat. 46 Jahre war Matthias – Gigi – Liebicher Mitglied der Wehr, gehörte im Alter von 13 Jahren zu den Gründungsmitgliedern der Jugend-Feuerwehr. Von 1978 bis 2015 war er aktiv in der Einsatzabteilung und wechselte dann in die Reserveabteilung. „Die regelmäßigen Ausbildungstermine am Dienstag hatten einen festen Platz in seinem Terminkalender“, erinnert sich Christian Nimtz. Türöffnungen seien sein „Steckenpferd“ gewesen, sodass Liebicher auch von der Polizei gern gerufen wurde, wenn es darum ging, dass sich Zutritt verschafft werden musste. „Matthias war auch sehr aktiv, wenn es um gemeinsame Ausbildungen mit anderen Fraktionen der Blaulichtfamilie ging“, sagt Wehrführer Nimtz. Die Zusammenarbeit aller Kräfte sei ihm immer sehr wichtig gewesen.
Als Aktiver in der Einsatzabteilung habe sich Matthias Liebicher bei den Elbe-Hochwassern 2002 und 2013 engagiert. Auch nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl 1986 war er mit dem ABC-Zug in Gudow, um an der damaligen innerdeutschen Grenze Fahrzeuge, die aus dem Osten kamen, zu dekontaminieren. Aber auch die Brandanschläge in Mölln am 23. November 1992 sind mit dem Engagement und Einsatz von Matthias Liebicher eng verknüpft. So berichtet Lothar Obst, dass in dem brennenden Haus in der Mühlenstraße „Konturen einer Person“ erkannt wurden. Die Drehleiter wurde ausgefahren und Matthias Liebicher stieg allein in das Gebäude ein. Nach Vorschrift hätten es immer zwei Einsatzkräfte des Atemschutztrupps sein müssen, die gemeinsam agieren und gegenseitig auf sich achten. Die weiteren Kräfte seien allerdings im rückwärtigen Gebäudeteil im Einsatz gewesen. Liebicher entdeckte eine 88-jährige Frau, die unter Schock stand. Er schaffte es, die Frau zum Fenster zu bringen und an seinen Kameraden im Rettungskorb zu übergeben. „Ohne den mutigen Einsatz der beiden Feuerwehrkameraden hätte die Frau wohl nicht überlebt. Sie gehören zu den leider so oft ´vergessenen Helden´ dieser schwärzesten Nacht der Möllner Stadtgeschichte“, ist Lothar Obst überzeugt.
„Bei der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Schleswig musste sich Matthias Liebicher massive Vorwürfe der Brandsachverständigen anhören, dass er gegen alle Sicherheitsvorschriften verstoßen habe“, berichtet Obst, und kommt für sich zu dem Schluss: „Ja, im Sinne der Vorschriften hatte er alles falsch gemacht. In Wirklichkeit aber hatte Matthias Liebicher alles richtig gemacht.“
An unsere Redaktion gewandt sagte Lothar Obst: „Meines Erachtens nach hätte dieser mutige Mann einen Nachruf in Herzogtum direkt verdient.“
Das finden wir auch und sind mit unseren Gedanken bei den Trauernden.