Ratzeburg (tbi). Die 50 Präsenzplätze im Burgtheater waren nach Anmeldung schnell vergeben, aber die Stadt Ratzeburg hatte mit viel Aufwand eine Live-Übertragung auf der Plattform YouTube ermöglicht. Wer allerdings bei diesem ersten Aufeinandertreffen der fünf Kandidaten einen streitbaren Meinungsaustausch über Inhalte erwartet hatte, mag nach der zweistündigen Veranstaltung enttäuscht sein. Unter dem Eindruck des Abwahlverfahrens von Ex-Bürgermeister Gunnar Koech im vergangenen Sommer schienen alle Kandidaten um Sachlichkeit, ein vertrauensvolles Miteinander und besonnene Gemüter bemüht zu sein.
Das vermittelte auch Moderator Lars Hartwig, den die Stadt für diese Veranstaltung gewonnen hatte. Als Lübecker ist Hartwig – ebenso wie unsere Redaktion – bei der Wahl des Ratzeburger Bürgermeisters nicht stimmberechtigt. Auch einen „Kandidatencheck“ zum Download hatte die Stadt vorbereitet, auf dem Zuschauer für sich selbst Punkte für die Kandidaten vergeben konnten.
Moderator Hartwig war sehr engagiert, den „roten Faden“ durch den Abend zu ziehen: Möglichst gleiche Redezeitanteile für die fünf Herren und konkrete Stellungnahmen zu den vorab eingereichten Fragen, die von einer Vorbereitungsgruppe ausgesucht waren und per Zufallsprinzip im Verlauf des Abends gezogen wurden. Fragen aus dem Publikum direkt waren nicht zugelassen, sodass es auch nicht zu spontanen Diskussionen und Nachfragen kam.
„Digitalisierung“ war eines der Hauptthemen, das sich wiederholt durch den Abend zog. Mit Ausnahme von Mouadh Ouerghui stellten die Kandidaten ihre Erfahrungen und Vorstellungen für Ratzeburg zum Thema vor. Ouerghui sieht das nicht als eines der Hauptthemen. Er betonte wiederholt, dass die Politik, die in der Stadtvertretung gemacht wird, sehr wichtig für Ratzeburg ist und dass für ihn die Anliegen der Senioren und an zweiter Stelle der Jugend wichtig sind.
Die Belebung der öffentlichen Plätze, kostenfreies Parken, Einkaufsmöglichkeiten und Leerstand auf der Insel waren weitere Themenkomplexe, die aus der Fragen-Lostrommel gezogen wurden. Auch Geschwindigkeitsverstöße in Tempo-30-Zonen und die Ortsumgehung gehörten dazu sowie die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, wenn es zum Beispiel um die Pläne zum Umbau des ehemaligen Gebäudes der Kreissparkasse geht.
Zum „roten Faden“ lässt sich auch zählen, dass alle Bewerber das Amt eines Bürgermeisters realistisch einschätzen: Chef der Verwaltung mit rund 180 Mitarbeitenden, Umsetzung der Beschlüsse aus der Stadtvertretung, Impulse an die Politik geben, den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft suchen, Fördermöglichkeiten auszuloten und die Stadt Ratzeburg zu repräsentieren.
Auszüge aus der Schlussrunde, in der die Kandidaten sich selbst noch einmal empfehlen konnten: Mouadh Ouerghui möchte für alle etwas erreichen, vor allem für die Senioren und die Jugend. Er möchte die Freiwillige Feuerwehr und die DLRG stärken und frischen Wind bringen. Als Bürgermeister möchte er ein Zeichen setzen für Menschen mit Migrationshintergrund.
Andreas Marquardt (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich nach den zwei Stunden überzeugt, dass jeder sich nun ein Bild von ihm habe machen können.
Eckhard Graf betonte, gemeinsam mit den „tragenden Säulen der Stadt“ beste Ergebnisse erzielen zu wollen und die Arbeit von Rainer Voß (Anm. d. Red.: Bürgermeister in Ratzeburg von 2007 bis 2019) fortzusetzen. Er wolle „würdig und mit Wahrhaftigkeit“ die Interessen der Stadt vertreten.
Volker Barczynski wünscht sich, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen. Er hob sein „digitales Verständnis“ hervor, habe die Wirtschaft im Blick und wolle Ratzeburg moderner machen und nach vorne bringen.
Reimar von Wachholtz bedauerte, dass es keine Fragen zur sozialen Gemeinschaft und zu Familien gab. Auch in diesen Bereichen sei er sehr engagiert.
Streckenweise verfolgten über 400 Zuschauer die Veranstaltung online. Als Moderator Lars Hartwig die Schlussrunde einläutete, hatte sich die Zahl der Interessierten bei rund 300 eingependelt. Zusammen mit den Gästen im Burgtheater haben sich also bei etwa 12 000 Wahlberechtigten deutlich weniger als drei Prozent (nicht alle Online-Interessierten müssen Stimmberechtigte sein) für die Veranstaltung am Freitagabend Zeit genommen. Unter den Gästen war gegenüber Herzogtum direkt auch Kritik an dem Format zu hören. So wurde der frühe Zeitpunkt der Veranstaltung vier Wochen vor der Wahl ebenso in Frage gestellt, wie das Verfahren zur Vorauswahl der Fragen.
Wer sich einen Eindruck der Kandidatenrunde verschaffen möchte und nicht „live“ am Freitag dabei sein konnte: Auf YouTube ist die Veranstaltung zu sehen und der von der Stadt entwickelte „Kandidatencheck“ steht hier zum Download zur Verfügung.