Lübeck (pm). Die Wirtschaft im Hansebelt leidet nach wie vor unter der Coronakrise. Um die Folgen der Pandemie zu bewältigen, seien weiterhin höchste Anstrengungen der Unternehmen, finanzielle Unterstützung durch den Staat und ein Zusammenspiel aller Beteiligten aus Staat und Wirtschaft erforderlich. Die IHK zu Lübeck wird die Unternehmen und die Region im kommenden Jahr weiter auf dem Weg aus der Krise begleiten. Das kündigten Präses Friederike C. Kühn und Hauptgeschäftsführer Lars Schöning an.
Im zu Ende gehenden Jahr hat sich die Lage der Wirtschaft kaum verbessert. „Unsere Konjunkturumfragen und Gespräche mit Unternehmensvertretern deuteten bis zum Herbst zwar auf eine Konsolidierung hin. Unter den Umständen einer Pandemie ist das aber kein wirklicher Lichtblick“, so Kühn. Der Fachkräftemangel hat die Bewältigung der Pandemiefolgen bereits als größte Herausforderung abgelöst, auch Lieferengpässe und steigende Energiepreise halten fast alle Branchen in Atem. Die nie da gewesene Preissituation bei Strom und Gas und auch deren Verfügbarkeit hat massive Auswirkungen auf die Unternehmen: Anlagen werden stillgelegt, Produktionen gedrosselt und wichtige Investitionen in das Kerngeschäft, aber auch in Energieeffizienz und Klimaschutz, werden gestrichen. In diesem Ausnahmezustand fordert die IHK ein schnelles und kurzfristig wirksames Maßnahmenpaket mit temporärer Reduktion der Umlagen für Energie sowie dem temporären Absenken der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß. „In Industrie und Exportwirtschaft gibt es weniger Aufträge, die Stimmung im Einzelhandel und Gastronomie ist in der Vorweihnachtszeit gekippt, da wegen der Corona-Beschränkungen weniger Kunden kommen“, betonte die Präses. Allein der Tourismus habe sich im Sommer und im Herbst behaupten können.
Mit einer neuen Vollversammlung will die IHK der Wirtschaft und Politik im neuen Jahr wichtige Impulse geben. 17 Unternehmerinnen und 47 Unternehmer haben einen Sitz im Beschluss- Gremium der IHK, insgesamt 41 der ehrenamtlich Engagierten sind neu im Amt. Am 25. Januar konstituiert sich die Vollversammlung für ihre sechsjährige Legislatur. An dem Tag endet nach neun Jahren die Amtszeit von Präses Kühn, die satzungsgemäß nicht erneut kandidieren darf. „Die Vollversammlung setzt sich aus motivierten und engagierten Persönlichkeiten zusammen, die an die geleistete Arbeit anknüpfen werden und den Standort voranbringen“, so Schöning.
Die Erwartungen der Wirtschaft an die neue Bundes- und die künftige Landesregierung seien hoch. „Wirtschaft braucht vor allem Planungssicherheit und Freiheit. Nur so können sich die Märkte entwickeln, und nur so kann Marktwirtschaft funktionieren. Schon zur Bundestagswahl haben wir weniger Regulatorik von der Politik gefordert“, so Kühn. Die IHK sieht die neue Bundesregierung in der Pflicht, mit einer zukunftsorientierten Steuer-, Finanz- und Energiepolitik die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Standorts insgesamt zu verbessern. „Freiheit und Verantwortung müssen wieder Hand in Hand gehen“, betonte die Präses. Dieser Themenkomplex steht auch im Mittelpunkt des digitalen IHK-Neujahrsempfangs 2022. Festredner ist der Trendforscher Oliver Leisse, der einen Blick auf die größten Herausforderungen der Zukunft werfen und Lösungsansätze aufzeigen wird. Weitere Informationen und Anmeldungen: www.ihk-sh.de/njeLuebeck.
Im Verbund mit ihren Schwesterkammern in Flensburg und Kiel wird die IHK zu Lübeck ein Positionspapier zur Landtagswahl im Mai erstellen. Schöning: „Unser Ziel ist es, dass die Politik die Leistungen und Verantwortungsbereitschaft der Unternehmen vor allem in der Krise anerkennt und ihnen mehr Vertrauen entgegenbringt, anstatt ihnen immer neue Regelungen, Vorschriften und Bürokratie aufzuerlegen.“ In der Wirtschaft gebe es zum Beispiel schon seit langem einen Bewusstseinswandel dafür, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. „Nachhaltigkeit gehört längst zum Geschäftsmodell. Dabei können Unternehmen Ressourcen schonen und Energie sparen oder innovative Produkte auf den Markt bringen.“ Die Energiewende sei allerdings ein großer Kraftakt für Wirtschaft, Staat und Verbraucher. Daher sollte der Staat Anreize für Innovationen geben, so Schöning. Die IHK zu Lübeck werde weiterhin ihren gesetzlichen Auftrag der Politikberatung und Vertretung der Interessen der regionalen Wirtschaft erfüllen und einen konstruktiven Dialog mit Politik und Verwaltung führen. Wie in der laufenden Legislaturperiode werden die IHKs den künftigen Koalitionsvertrag regelmäßig einer kritischen Revision unterziehen und den Stand der Erfüllung öffentlichkeitswirksam kommentieren.
Ein Schwerpunkt der IHK-Arbeit lag 2021 wieder auf der Beratung der Mitgliedsunternehmen. Schöning: „Trotz der vielen Anrufe in Sachen Krisenbewältigung haben wir in Lübeck und in unseren Geschäftsstellen in Ahrensburg und Norderstedt unsere bewährten monatlichen Beratungsformate zu Existenzgründungs-, Finanzierungs- und Nachfolgefragen online fortgesetzt, denn auch 2021 gab es viele Unternehmensgründungen und -nachfolgen.“ Mit den Beratertagen für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie virtuellen Finanzierungs- und Nachfolgesprechtagen zeigte die IHK den Unternehmern individuelle Lösungen auf.
Der digitale Aktionstag Unternehmensnachfolge „Fortsetzung folgt“ im November war ein Erfolg. „Wir haben informiert, sensibilisiert sowie Übergeber und Übernehmer zusammengebracht, damit zur Übergabe anstehende Unternehmen eine Zukunft haben“, betonte der Hauptgeschäftsführer. „Mit Erfolg: Schleswig-Holstein kam 2021 beim bundesweiten KfW-Gründungsmonitor auf den dritten Platz und ist damit das gründungsfreundlichste Flächenland in Deutschland.“ Nur die Stadtstaaten Berlin und Hamburg hatten mehr Gründungen pro 10.000 Erwerbstätiger.
Aufgrund des positiven Feedbacks aus der Gründerlandschaft wird die IHK zu Lübeck 2022 ihre Gründungsveranstaltungen als Webinare und als Präsenzveranstaltungen anbieten. Mit weiteren Mitgliedern des StartUp SH unterstützt die IHK die Veranstaltung „GRÜNDEN MIT RECHT – was Start-ups zum Thema Recht wissen müssen“. Darüber hinaus plant sie, zusätzliche Formate für Gründungsinteressenten zu entwickeln, um beispielsweise Start-ups noch besser in der Frühphase der Ideenentwicklung unterstützen zu können. Mit einer neuen Kooperation vernetzt sich die IHK eng mit Gründern und jungen Unternehmen: Das Technikzentrum Lübeck (TZL) hat Coworking-Arbeitsplätze für Start-ups im Haus der Wirtschaft eingerichtet. Dieses Angebot richtet sich an Unternehmen, die noch keine eigenen Büroräume haben und zentral in der Nähe von Hauptbahnhof und Autobahn arbeiten wollen. Schöning: „Gern binden wir sie in unser Netzwerk ein und stellen ihnen unser Beratungsangebot zur Verfügung.“
Gestiegen ist auch die Nachfrage nach dem kostenlosen IHK-Energiecoaching. Aufgrund von Klimaschutzanforderungen und steigenden Energiepreisen haben sich 2021 wesentlich mehr Unternehmen an die IHK gewandt als in den Vorjahren. Die Beratung ist der Einstieg in die Themen Energieeffizienz und Einführung eines Energiemanagementsystems. „Der Kostendruck erfordert es, dass unsere Mitglieder weitere Einsparpotenziale erschließen. Auch dafür sind wir die erste Anlaufstelle“, sagte der Hauptgeschäftsführer.
Mit ihrem Engagement für die duale Ausbildung unterstützt die IHK ihre Mitglieder im Wettbewerb um Fachkräfte. Im zu Ende gehenden Jahr nahm sie alle Prüfungen in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Sach- und Fachkunde unter Corona-Bedingungen ab. 5.000 Auszubildende in mehr als 120 Berufen und rund 1.000 Teilnehmer an Fortbildungsprüfungen nahmen daran teil. Hinzu kamen rund 2.000 Teilnehmer an Sach- und Fachkundeprüfungen. Kühn und Schöning dankten allen ehrenamtlichen Prüferinnern und Prüfern für ihr besonderes Engagement. „Aus allen Prognosen wissen wir, dass die Unternehmen in den kommenden Jahren vor allem gut qualifizierte Mitarbeiter mit Praxiserfahrung suchen werden, nicht nur Akademiker. Daher wollen wir die duale Ausbildung weiter deutlich stärken“, betonte der Hauptgeschäftsführer.
Ein besonderes Highlight im Bereich Bildung steht Ende Mai an: Die IHK zu Lübeck hat für den Forschungsforum Schleswig-Holstein e.V. die Ausrichtung des 57. Bundeswettbewerbs Jugend forscht in Lübeck übernommen. Am Himmelfahrtswochenende werden rund 100 Landessieger, ihre Familien sowie die Jurymitglieder in die Hansestadt kommen. Ziel ist es, die Innovationsfreude sowie die Faszination für Technik und Technologie in Schleswig-Holstein zu fördern, damit sich mehr Kinder und Jugendliche für MINT-Berufe interessieren.
Ihr Webinar-Angebot „Hansebelt digital“ hat die IHK zu Lübeck im zu Ende gehenden Jahr erweitert und um eine Mediathek ergänzt. Damit stehen die Webinar-Inhalte den Teilnehmern im Anschluss als jederzeit abrufbarer Wissensspeicher zur Verfügung. Schöning: „Insgesamt haben wir mit 50 Webinaren allein in dieser Reihe fast 12.000 Teilnehmer erreicht und mehr als 4.000 Aufrufe in unserer Mediathek verzeichnet.“ Auch das Angebot im Bereich IT-Sicherheit hat die IHK ausgebaut. Sie ist jetzt die regionale Anlaufstelle der bundesweit agierenden Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand (ITSiM). Deren Ziel ist es, mit einem Onlinetool sämtliche für die IT-Sicherheit relevanten Bereiche eines Unternehmens zu identifizieren und dem Betrieb konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben.
Die vom Bund auf den Weg gebrachte Planungsbeschleunigung für Großprojekte sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Für die weitere Planung der Bundesautobahnen A20 und A21 werden wir diese Beschleunigung einfordern“, kündigte die Präses an. „Immerhin geht es endlich los mit dem Bau des größten Infrastrukturprojekts in Nordeuropa, dem Fehmarnbelt-Tunnel“, sagte sie im Hinblick auf den ersten Spatenstich vor wenigen Wochen auf Fehmarn. Den Planungs- und Genehmigungsprozess des Anschlusses an das deutsche Straßen- und Schienennetz werde die IHK begleiten, ebenso wie den damit im Zusammenhang stehenden Ausbau der Hamburger S-Bahn-Linie 4 bis nach Bad Oldesloe. Vor dem Hintergrund der Möglichkeit zur Verlagerung von Straßentransporten auf das umweltschonende Binnenschiff erlangt der geplante Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals zusätzliche Attraktivität. Aufgabe der IHK bleibt es, die konkreten Erfordernisse der Logistikwirtschaft für die Mobilitätswende noch stärker zu kommunizieren. Zudem fordert die IHK konkrete Schritte zur Förderung des Lübecker Hafens, wie zum Beispiel der Vertiefung der Fahrrinne der Trave auf 10,50 Meter.
Mit dem Positionspapier Innenstadt erhält die Interessenvertretung im Bereich Innenstadt eine breitere Basis. Um das Thema „Innenstadt der Zukunft“ voranzubringen, will die IHK die Zukunftswerkstatt für den Bereich Immobilien in Kooperation mit der cima (CIMA Beratung + Management GmbH) und der Stadt Neustadt in Holstein weiterführen. Die Handels- und Gewerbevereine will die IHK vor allem durch einen Netzwerkaufbau stärken.
Entscheidend für die Zukunft sei es, wie schnell die Wirtschaft die Krise überwinden und sich für die Zukunft aufstellen kann. „Die Herausforderungen durch die Pandemie beherrschen vermutlich noch für einige Monate die Agenda. Trotzdem bietet die Krise weiterhin Chancen für neue Produkte, Geschäftsmodelle und die Digitalisierung der Prozesse“, sagte Kühn.