Ratzeburg (aa/pm). Fast genau vor einem Jahr wurden die ersten fünf Infotafeln an geschichtsträchtigen Orten in Ratzeburg offiziell vorgestellt (Herzogtum direkt berichtete). In diesem Herbst folgten weitere sieben Tafeln – mit einem noch zu erwartenen ‚Nachzügler‘ sind es dann dreizehn Schilder, die nicht nur auf die historischen und kulturellen Schätze der Stadt hinweisen, sondern auch Hintergründe liefern, die nicht nur für Touristen interessant sein dürften.
Eine der neuen Tafeln ist direkt vor der St. Petri Kirche zu finden. In der Ratzeburger Stadtkirche wurden auch am Freitag (22. Oktober) der offizielle Abschluss des Projekts vorgestellt. „Als Kirchengemeinde St. Petri freuen wir uns ganz besonders über die Infotafel, die jetzt vor der Kirche zu finden ist. Und sie wird bereits sehr gut angenommen“, erklärte Hausherrin und Pastorin Wiebke Keller. Die Grundidee zu den Tafeln stamme noch aus dem Jahr 2015, wie Katrin Jester (Stadt Ratzeburg) einleitend erläutert. Die Grundidee aus den Reihen des Heimatbund und Geschichtsvereins lautete: es gibt viele tolle geschichtliche Schätze in Ratzeburg, aber es sind zu wenig Informationen jeweils vor Ort vorhanden. „Die wichtigsten Juwelen der Stadt sind jetzt ausgeschildert“, so Jester weiter.
Viele Städte in Deutschland können ihre Gründungsgeschichte bis weit in das Mittelalter zurückverfolgen und verfügen in ihrem Stadtzentrum über zahlreiche alte und beeindruckend schöne Fachwerkhäuser. Die Stadt Ratzeburg besitzt eine derartig alte Bausubstanz nicht, denn im Jahr 1693 wurde die Stadt durch ein verheerendes Bombardement der Dänen unter ihrem König Christian V. fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht. Nur der Dom und einige wenige Häuser überstanden die schwere Beschießung unbeschadet. Die Stadtkirche St. Petri wurde stark getroffen und musste daher später abgerissen und neu gebaut werden. Hintergrund dieser kriegerischen Auseinandersetzung war ein heftiger Konflikt zwischen dem damaligen Welfenherzog Georg-Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg und dem dänischen König Christian V. Der Herzog ließ das herrliche Ratzeburger Schloss abbauen, das durch den farbenprächtigen Gerdt Hane-Stich aus dem Jahr 1588 bekannt ist, und errichtete stattdessen eine Festung. Diese Festungsanlage betrachtete der dänische König als eine Gefährdung seiner Herrschaft, die bis Stormarn unmittelbar an das Herzogtum Lauenburg heranreichte, und er ließ Ratzeburg durch seine Soldaten völlig zerstören. Der Wiederaufbau Ratzeburgs erfolgte nach dem Vorbild der Stadt Mannheim im Stil einer barocken geometrischen Anlage. Diese Struktur ist noch heute deutlich im Zentrum der Stadt am Marktplatz zu erkennen, von dem alle Straßen sternförmig in verschiedene Richtungen abgehen.
Die Stadt Ratzeburg ist trotz der weitgehend fehlenden alten Bausubstanz dennoch einzigartig, denn sie verfügt wie kaum eine andere Stadt dieser Größenordnung über eine ungewöhnlich hohe Zahl an kulturellen und historischen Juwelen. Daher haben der Ratzeburger „Heimatbund und Geschichtsverein“ mit dem Historiker Hartwig Fischer, die Ratzeburg Tourismus Stadtmarketing-Koordinatorin Katrin Jester und der Stadtarchivar Christian Lopau den Plan entwickelt, die zahlreichen kulturellen und historischen Highlights der Stadt den zahlreichen Touristen und den Ratzeburgern in Form von Informationstafeln vorzustellen. Das Projekt ist jetzt fast abgeschlossen und umfasst insgesamt 12 Informationstafeln, die im Stadtbereich an unterschiedlichen Stellen aufgestellt wurden:
Standort Schlosswiese: „Von Ratibor zu Ratzeburg“
Standort vor dem Rathaus: „Ratzeburg im Wandel der Zeit“
Standort hinter dem Rathaus: „Rund um den Barlachblick“
Standort Marktplatz: „Rund um den Marktplatz“
Standort Vorplatz Stadtkirche St. Petri: „Stadtkirche St. Petri“
Standort Palmberg: „Der Dom zu Ratzeburg“
Standort Weber-Museum: „Das A. Paul Weber-Museum“
Standort Kreismuseum: „Das Herrenhaus“
Standort Kurpark: „Die Ratzeburger Kleinbahn“
Standort Kurpark: „Grenzöffnung 1989“
Standort Jägerdenkmal: „Rund um den Königsdamm“
Standort Kirche St. Georgsberg: „St. Georg auf dem Berge“
Hinweis: Die fettmarkierten Standorte sind die kürzlich aufgestellten Tafeln. Alle anderen wurden bereits im Spätsommer 2020 aufgestellt.
Mit diesen Informationstafeln soll den Betrachtern beispielhaft erläutert werden:
- warum die „Schlosswiese“ am Ratzeburger See diesen Namen trägt, obwohl dort gar kein Schloss steht
- warum der kleine Ratzeburger See den Namen „Küchensee“ trägt
- warum eine Straße den ungewöhnlichen Namen „Demolierung“ trägt
- warum im Eingangsbereich des Rathauses der lateinische Spruch „Doctrinae – Sapientiae – Pietati“ angebracht ist
- warum der Kreis den ungewöhnlichen Namen „Kreis Herzogtum Lauenburg“ trägt und warum im Kreiswappen eine Krone enthalten ist
- warum ein Kreispferd im Kurpark steht
- warum die „Liebesinsel“ hinter dem Rathaus den Namen „Barlachblick“ trägt
- warum das kleine Bootshaus hinter dem Rathaus für die Ruderlegende Karl Adam, die Lauenburgische Gelehrtenschule und den Ratzeburger Ruderklub von größter Bedeutung war
- warum ein auf einer Wiese in der Vorstadt als Viehtränke benutzter großer Stein sich als Taufstein der St. Georgsberger Kirche herausstellte
- warum der Damm von der Stadtmitte in Richtung Vorstadt den Namen „Königsdamm“ trägt
- warum der Ratzeburger Dom auf seinem Turm zwei Wetterhähne trägt
- warum die welfischen Verteidiger bei der Beschießung Ratzeburgs im Jahr 1693 den Dom ihres berühmten Vorfahren Heinrichs des Löwen in die Luft sprengen wollten
- warum die wichtige „Gründung der Nordkirche“ in Ratzeburg erfolgte
- warum die Stadtkirche St. Petri mit Altar, Kanzel und Orgel nicht wie viele andere Kirchen nach Osten ausgerichtet ist
- warum die dänische Königin Margrethe II. auch heute noch eine besondere Beziehung zur Ratzeburger Stadtkirche St. Petri hat
- warum die kleine St. Georgsberger Kirche von kirchengeschichtlich größter Bedeutung für den Kreis Herzogtum Lauenburg ist
- welche große Rolle der Abt Ansverus für die Kirchengeschichte im Lauenburgischen spielte
- woher der Stadtname „Ratzeburg“ kommt
- warum das Säulengebäude am Marktplatz den Namen „Alte Wache“ trägt
- welche Bedeutung die Linden vor der „Alten Wache“ haben
- warum das große Denkmal für Kaiser Wilhelm I. auf dem Marktplatz nicht mehr steht
- warum die historische Grenzöffnung des Jahres 1989 für Ratzeburg einschneidende Veränderungen bewirkte
- welche Bedeutung die bekannten Künstler A. Paul Weber, Ernst Barlach, Karlheinz Goedtke und der Nobelpreisträger Günter Grass für Ratzeburg haben
- warum der preußische König Wilhelm I. 1865 zu einem Staatsakt nach Ratzeburg kam
- welche besondere Beziehung der Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck zu Ratzeburg hat
- warum das Kreismuseum den Namen „Herrenhaus“ trägt
- warum die alte Kleinbahn quer durch Ratzeburg nach Groß Thurow nicht mehr existiert
- warum die leicht geschwungene Brücke beim Krankenhaus den Namen „Kamelbrücke“ trägt
Die Informationstafeln enthalten als Bildunterschriften einen Text jeweils auf Deutsch und Englisch. Ein QR-Code mit „History Podcasts“ ermöglicht den Gästen, weitere spannende Zusatzinformationen zu den Fotos abzurufen. Gleichzeitig ist ein Link zur WEB-Seite der Stadt Ratzeburg vorhanden. Zur Orientierung für Ortsfremde ist eine Karte mit einem Hinweis auf den jeweiligen Standort abgedruckt. Die Fotos wurden von Heike Fischer und einigen Einzelpersonen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Das „Projekt-Informationstafeln“ ist nun vorerst abgeschlossen. Die Finanzierung der Tafeln erfolgte mit Mitteln vom Ratzeburger „Heimatbund und Geschichtsverein“, durch die Europäische Union („Landesprogramm ländlicher Raum“), die Stadt Ratzeburg und einen Einzelspender. Die beiden Tafeln „A. Paul Weber-Museum“ und „Herrenhaus“ sind vom Kreis Herzogtum Lauenburg finanziert worden. Ein besonderer Dank geht seitens des Projektteam an den ehemaligen Ratzeburger Bürgermeister Rainer Voß, der das Vorhaben von Beginn an tatkräftig unterstützte und die wichtige Anschlussfinanzierung mit EU-Geldern über die „Aktiv-Region Herzogtum Lauenburg Nord“ in die Wege geleitet hat. Weiterhin soll noch eine dreizehnte Informationstafel am Barlach Museum durch Finanzierung des Ratzeburger Barlach-Fördervereins aufgestellt werden.
Auf der Domhalbinsel wurden laut Katrin Jester einige markante Punkte, wie zum Beispiel das Haus Mecklenburg, noch bewusst ausgelassen. Hier sollen weitere Schautafeln nach Abschluss der Sanierung der Areals aufgestellt werden. Aber auch noch weitere Standorte seien denkbar. „Es gibt viele weitere interessantere Punkte außerhalb der Insel, die sich noch lohnen würden“, sagt Christian Lopau und zählt unter anderem Orte wie ‚Neuvorwerk‘, das Bahnhofsgebäude oder den Fuchswald auf. Denkbar seien auch Tafeln in der Vorstadt oder Dermin, die die Stadtentwicklung dokumentieren. Jede weitere Tafel ist dann natürlich die Finanzierung. Willige Sponsoren können sich daher jederzeit bei Katrin Jester via Email an Jester@ratzeburg.de oder unter der Telefonnummer 04541-8000-885 melden. Pro Tafel inklusive grafische Gestaltung, zweisprachiger Text und gesprochenem Podcast, fallen Kosten von rund 3.000 Euro an.