Die Berichterstattung über das Bürgermeister-Abwahlverfahren samt Reaktionen des Betroffenen lassen eine einigermaßen gütliche Verständigung nicht erwarten. Als Bild drängt sich eher auf: zwei Züge rasen aufeinander zu. Der Ratschlag, sich miteinander ins Benehmen zu setzen ist in so einer Situation müßig. Es geht nicht um Sympathie oder Antipathie. Es geht um mehr als um die öffentlich diskutierten Streitpunkte, so wichtig die auch sind. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die Arbeitsfähigkeit der ehrenamtlich besetzten Stadtvertretung; die ist auf eine funktionierende Verwaltung angewiesen. Keine Kleinigkeit.
Wer aus dem Bauch heraus „denen da oben“ (den von uns gewählten Ehrenamtlichen) einen Denkzettel verpassen möchte, sollte sich dann über einen vier Jahre lang zu erwartenden Grabenkrieg mit Blockade von nötigen Entwicklungsschritten nicht beklagen. In Mölln müht man sich gerade, „ein Fiasko wie in Ratzeburg“ zu vermeiden.
Kultur, Wirtschaft, Bildung, Digitalisierung, Lebensqualität, ja, sogar die Zukunft schreibt sich G. Koech auf die Fahne. Geht’s nicht ein paar Nummern kleiner? Nicht nur der Betroffene selbst, auch andere preisen den Macher Koech. Sie haben nicht verstanden, dass eine Leitung nicht ins operative Geschäft einzugreifen hat. Sie hat strategische Regie zu führen. Eine Verwaltungsleitung hat die Geleiteten bei ihren Aufgaben zu unterstützen, zu qualifizieren, die vorhandenen Macher zu fördern, wo nötig, auch zu kontrollieren, ohne dabei Personen abzuwerten. Dies Leitungsverständnis ist anspruchsvoll und einer demokratischen Kultur angemessen, nachlesbar in leicht zugänglichen Taschenbüchern und auch in dicken Wälzern zur Organisationspsychologie – aber wer liest die schon! Unterhaltsamer liest sich „Führer, Narren und Hochstapler“ (Essays über die Psychologie der Führung von M.F.R. Kets de Vries, VIP 1998).
Als Repräsentant der Stadt kann die Leitung auch die Erfolge der Verwaltungsleistungen bei gegebenem Anlass öffentlich ins rechte Licht rücken; und sie kann und soll der Stadtvertretung aktuell wichtige Themen und Maßnahmen vorschlagen. Aber anweisen, von sich aus umsetzen kann und darf sie das alles nicht, solange sie von der ihr vorgesetzten Stadtvertretung (konkret: vom Hauptausschuss) dafür kein grünes Licht bekommt. Sie muss also verhandlungsfähig und -verhandlungswillens sein. Mündige Bürgerinnen und Bürger sollten den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen – meinte Kant. Hoffentlich finden sich genug Vernünftige, denen die Arbeitsfähigkeit unserer Stadtvertretung wichtig ist.
Hauke Christiansen, Dipl.-Psych., Ratzeburg