Ratzeburg (aa). Am kommenden Sonntag, 22. August 2021, haben alle stimmberechtigten Ratzeburger Bürger eine schwere Wahl zu treffen: Wählen sie den aktuell suspendierten Bürgermeister Gunnar Koech ab und stimmen also mit „Ja“, oder sagen sie „Nein“, er soll in Amt und Würden bleiben? Die Gründe, warum der Stadtrat die Abwahl einleitete, dürften mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Neben einem Zerwürfnis unter anderem mit den politischen Gremien der Stadt sowie der freiwilligen Feuerwehr, stehen auch Zerwürfnisse der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) sowie dem Vorstand des Schulverbandes der Gemeinschaftsschule Lauenburgische Seen auf der Liste. Um das Bedürfnis nach weiteren Informationen der Bürger zu stillen, wurde am Mittwoch (11. August) daher zu einer offenen Fragestunde in die Mensa der LG eingeladen.
Zunächst ist es der stellvertretende Stadtpräsident Andreas von Gropper, der die rund 100 Gäste begrüßt, die nach Abgabe ihrer Kontaktdaten in der Mensa Platz genommen haben. Auch Koech selber hat im Publikum Platz genommen und verfolgt den Abend teils kopfschüttelnd, teils belustigt grinsend. Von Gropper erklärt zunächst noch kurz, warum zuerst LG und Schulverband eingeladen hatten, und warum dann der „Kunstgriff“ gewählt werden musste, dass nun die Stadtvertretung als offizieller Gastgeber auftritt. So habe Bürgermeister Koech mit Verweis auf Neutralität von Schulen Beschwerde gegen die Veranstalter eingelegt. Laut von Gropper bewege man sich nach Rücksprache mit der Landesschulaufsicht aber nun in rechtssicherer Lage. „Mit diesem Veranstaltungsformat möchten wir Ihnen Gelegenheit geben, Ihre Fragen zu stellen, um Infos aus erster Hand zu kommen“, so von Gropper einleitend.
Neben dem Schulleiter der LG, Thomas Engelbrecht, und seiner Stellvertreterin, Ina Meyenburg, stellen sich Schulverbandsvorsteherin Julia Stricker sowie Vertreterinnen des LG-Schulelternbeirats, der LG-Schülervertretung und des LG-Personalrats auf dem Podium den Fragen der Bürger.
Was ist denn konkret passiert? So lautet eine der ersten Fragen. Thomas Engelbrecht ergreift das Wort: „Die Wahrnehmung von Herrn Koech ist, dass es kein Kommunikationsproblem mit der Schule gibt, sondern nur mit mir. Das ist eine These, da gibt es aber auch eine andere Wahrnehmung.“ Es gehe darum, die kommunizierte Sichtweise des Bürgermeisters ein Stück weit zu relativieren. Dass nicht nur der Schulleiter ein Problem mit dem Bürgermeister hat, werden im Laufe des Abends auch die weiteren Podiumsteilnehmerinnen bestätigen.
Zunächst geht es um den Punkt „Verstoß gegen das Vergaberecht“. „Der Vorwurf von Herrn Koech, ich hätte gegen das Vergaberecht verstoßen, trifft mich“, so Engelbrecht weiter. Seiner Meinung nach müsste die Kommunikation und der Umgang miteinander verbessert werden.
Zum expliziten Vorfall übernimmt dann Ina Meyenburg das Wort. Seit zwölf Jahre sei sie für Beschaffung von Unterrichtsmaterialien, Druckerpatronen oder eben Webcams zuständig. „In den zwölf Jahren wurde niemals an mir Kritik geübt. Wenn es neue Regeln gibt, muss man mir das zur Kenntnis geben. Das ist nicht passiert“, so Meyenburg. Als Erklärung gibt es noch die Erläuterung: in größeren Städten, wo diese als Schulträger auftreten, ist seitens der Stadt entsprechendes Personal vorhanden, das im Vergaberecht geschult sind und einzig und allein für die Beschaffung von Material der entsprechenden Schule zuständig ist. In kleineren Städten wie im Falle von Ratzeburg wird von der Stadtvertretung einmal im Jahr ein Budget limitiert auf rund 2.000 bis 3.000 Euro pro Monat beschlossen und die Verfügung quasi auf die Schule übertragen. Dass heißt, dass die Schule Anschaffungen bis zu gewissen Höhen eigenständig tätigen darf. Das Vergaberecht muss trotzdem gewahrt werden. Lehrer werden allerdings nicht in Vergaberecht ausgebildet. Ina Meyenburg: „Ich bin daher auf entsprechende Informationen von der Stadtverwaltung, wie man es richtig macht, angewiesen. Ich hätte mir eine entsprechende Kommunikation gewünscht.“ Stattdessen sei die Anschuldigung, sie habe gegen das Vergaberecht verstoßen, von Gunnar Koech in den öffentlichen Raum gestellt worden. Genauer ging es um die Beschaffung von Webcams. Laut Vergaberecht muss immer bei wechselnden Händlern beispielsweise IT-Hardware bestellt werden. „Das hat mich persönlich getroffen und verletzt. Ich bin nach wie vor zutiefst verunsichert“, gibt Meyenburg zu Protokoll. Sie bemängelt, dass im Vorfeld die Kommunikation gefehlt habe.
Schulleiter Engelbrecht stellt klar: „Es ist falsch, dass wir regelmäßig bei dem gleichen Anbieter bestellt haben. Das darf man nicht. Aber das hätte man auch ansprechen können, ohne mit dem ‚Holzhammer‘ draufzuhauen. Wir sind nicht ausgebildet im Vergaberecht und daher auf entsprechende Vorgaben angewiesen. Es wurde Vergaberecht gebrochen. Aber nicht ‚massivst‘. Das ist eine völlig überzogene Aussage. Herr Koech ist nicht daran schuld, dass wir diesen Fehler begangen haben. Es ist sein gutes Recht uns auf diesen Fehler hinzuweisen. Das Problem ist sein Umgang damit sowie die deftigen Maßnahmen – das ist seine Schuld. Es ist sein schlechter Stil.“
In der Folge habe die Schule auf Anweisung des Bürgermeisters nichts mehr eigenständig anschaffen dürfen, was zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen geführt haben soll.
Ein weiterer Punkt, der erneut angesprochen wird, war der Wechsel des IT-Dienstleisters an der LG. Hier stellt Engelbrecht fest: „Herr Koech hat das Recht andere Firmen zu beauftragen, er hat nicht das Recht, es unabgesprochen zu machen. Infos zu Maßnahmen an der Schule sind an mich als Schulleiter weiterzutragen. Das ist eine Verpflichtung. Das sieht Herr Koech offensichtlich anders.“ So seien vom Bürgermeister beauftragte IT-Dienstleister unangekündigt in der Schule aufgetaucht, um unter anderem Maßnahmen am W-Lan-Netz der Schule vorzunehmen. „Das Problem ist die fehlende Absprache“, stimmt Schulelternbeiratsmitglied Sonja Grelck zu. Sie weist zudem aus Elternsicht auch auf den Sicherheitsaspekt hin, „es kann nicht irgend jemand einfach unabgesprochen in der Schule auftauchen.“
Auf die Frage, warum es kein Mediationsgespräch gab, erklärt Thomas Engelbrecht: „Es gab im Mai ein Mediationsgespräch zusammen mit der Schulaufsicht, von mir initiiert. Der Mediator hat uns erklärt, woran wir (LG und Bürgermeister) jeweils arbeiten müssen. Der Aspekt ‚Vergaberecht‘ wurde geklärt. Zwei Monate später erscheint ein Video auf Facebook, wo Herr Koech mir massive Vorwürfe wegen des Vergaberechts macht. Was hat da das Mediationsgespräch gebracht?“
Vieles, was an diesem Abend angesprochen und erklärt wird, wurde so auch bereits im Juni im Rahmen eines Pressegespräch dargelegt. Auch Schulverbandsvorsteherin Julia Stricker legt erneut dar, dass Bürgermeister Koech im Schulverband nur einfaches Mitglied sei und daher nicht weisungsbefugt. Die Beschlüsse des Schulverbands habe sie als Vorsteherin umzusetzen und auch zu verantworten. Gunnar Koech habe aber eigenmächtig IT-Mitarbeiter in die Schule geschickt. „Dieses Vorgehen hat unheimlich viel mehr Arbeit gemacht. Unabhängig von der Motivation, die dahinter steht, geht es um die fehlende Kooperationswilligkeit von Herrn Koech. Es ist schwierig, wenn ich am Ende den Kopf hinhalten muss. Die Gespräche, die geführt wurden, waren nicht zielführend. Ich fühlte mich nicht ernst genommen. Er sagte, er ist der Bürgermeister von Ratzeburg, er darf das. Ich vermisse da bis jetzt die Einsicht bei ihm.“
Sowohl Schulverband als auch LG stellen auf Nachfrage zudem klar, dass sie auf die Fraktionen der Stadtvertretung zugingen und nicht umgekehrt. Dazu Julia Stricker: „Es gab hier keine Absprache. Wir wussten vorher nicht von den Problemen der anderen. Es gibt keine Verschwörung.“ Engelbrecht ergänzt: „Was als Mär in den Raum gestellt worden ist – die Mär des Erneuerers gegen das Establishment – das ist an Einfachheit nicht zu überbieten.“ Nach Ansicht von Engelbrecht würden da voneinander unabhängige Institutionen sowie ehrenamtlich arbeitende Menschen zu etwas zusammengefasst, was sie nicht seien. „Diese Schule ist mir eine Herzensangelegenheit. Und zuvor hatte ich überhaupt keine Position zu Herrn Koech“, gibt auch der LG-Schulleiter jeglichen Verschwörungstheorien eine Absage.
Nach rund zwei Stunden endet schließlich der Infoabend.