Herzogtum Lauenburg/Hamburg (pm). Zwar sind die über 40 Jugendherbergen im Norden aktuell größtenteils leer. Doch ein paar Häuser können durch Sonderbelegungen derzeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Parallel bereiten sie sich auf mögliche Wiedereröffnungen vor. Das Jahr 2020 hat der Landesverband Nordmark des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) mit etwa einem Drittel der Übernachtungen eines normalen Jahres abgeschlossen.
Die Prognosen für 2020 hatten dem gemeinnützigen Verein rund 1,1 Mio. Übernachtungen in Aussicht gestellt. Doch aufgrund der Pandemie schloss der DJH-Landesverband Nordmark e.V. das Jahr mit 323.691 Übernachtungen von 105.450 Gästen ab. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag der Anbieter aus dem jugendtouristischen Bereich noch bei knapp 1.043.000 Übernachtungen und über 345.000 Gästen.
Kaum Klassenfahrten: eine langfristig besorgniserregende Entwicklung
Unter den Stornierungen waren zahlreiche Klassenfahrten – eine Herausforderung für den Landesverband, denn Schulklassen sind in normalen Jahren mit über 40 Prozent der Gäste das Kerngeschäft der Jugendherbergen in Schleswig-Holstein, Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen. Im Corona-Jahr sank der Anteil an Schulklassen auf 14 Prozent (45.404 statt 426.792 Übernachtungen, Vergleich 2020/2019). Landesverbands-Geschäftsführer Stefan Wehrheim richtet den Blick nach vorn: „Sobald es die Lage zulässt, stehen wir als verlässlicher Bildungspartner den Schulen gut vorbereitet zur Seite. Klassenfahrten sind nicht nur wichtig für den Erhalt von Jugendgruppenunterkünften, sondern auch für die soziale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern“, sagt der 38-Jährige, der selbst Vater zweier Kinder ist. Er ergänzt: „Nach diesen herausfordernden Zeiten wird es wichtiger denn je sein, das Miteinander der Klassengemeinschaften zum Beispiel durch Teamtrainings zu fördern.“
Im Corona-Jahr 2020 waren Familien die Hauptzielgruppe. Da die meisten Jugendherbergen hauptsächlich nur über den Sommer öffnen konnten, ist dies wiederum nicht verwunderlich. Zu der Zeit verbringen traditionell viele Familien ihren Urlaub in den kinderfreundlichen Herbergen. 13 Jugendherbergen mit starkem Gruppenprofil mussten jedoch das gesamte Jahr 2020 geschlossen bleiben und öffneten nur vereinzelt für Gruppen. Endgültige Standort-Schließungen gab es bisher noch nicht. Ob es dabei bleibt, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie, Unterstützungsmöglichkeiten sowie den noch ausstehenden Öffnungsregelungen von Bund und Ländern ab. Der DJH-Landesverband Nordmark hofft auf eine bundesweit einheitliche Strategie für den Tourismus und den Bildungssektor und damit auf konkrete und planbare Perspektiven.
Unterstützung erfahren
Bedeutsam für den gemeinnützigen, mitgliedergestützten Verein ist auch die Entwicklung der Mitgliederzahlen. Trotz reduzierter Reisemöglichkeiten gingen deutlich weniger Kündigungen als in normalen Jahren ein (minus 18 Prozent). „Diese Solidarität und der große Zuspruch unserer Gäste hat unserem Team großen Rückenwind für die tägliche Arbeit gegeben“, freut sich Landesverbands-Vorsitzende Angela Braasch-Eggert. Die Mitgliederzahl liegt aktuell bei 183.234.
Bewegung ist inzwischen auch in den Bereich der finanziellen Unterstützungen gekommen, nachdem gemeinnützige Organisationen zu Beginn der Krise durch jegliche Förderungsraster gefallen waren. „Wir sind dankbar, dass es nun eine Förderkulisse gibt“, sagt Geschäftsführer Stefan Wehrheim. Doch das Beihilferecht ist komplex und wird immer wieder angepasst, vor allem für gemeinnützige Vereine. Oft muss aufwändig geprüft werden, unter welchen Bedingungen und bis zu welcher Höhe Träger wie der Landesverband Nordmark überhaupt Förderungen annehmen dürfen und inwiefern sich Hilfen gegenseitig ausschließen. Neben der Bemühung um Förderungen hat der Landesverband selbst seit Pandemiebeginn sämtliche Sparmaßnahmen wie Kurzarbeit und Investitionsstopps eingeführt.
Zudem konnten die laufenden Modernisierungsprojekte in den Jugendherbergen Büsum und Wittdün auf Amrum nur dank eines rückzahlungspflichtigen Sonder-Darlehens des Landes Schleswig-Holstein fortgesetzt werden. Die Wiedereröffnung der beiden Nordsee-Jugendherbergen ist nun für dieses Frühjahr geplant.
Aktuelle Lage: Jugendherbergen bieten alternative Nutzungsmöglichkeiten an
Um seinem gesellschaftlichen Versprechen als gemeinnütziger Verein gerecht zu werden, hat der DJH-Landesverband Nordmark e.V. im November seine Jugendherbergen aktiv – bei Ministerien, Städten und Gemeinden, Kreisen, Schulen, Jugend- und Gesundheitsämtern – für sinnstiftende Sondernutzungen angeboten. „Es tut gut, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten – auch wenn es andere Wege sind als sonst“, ordnet Wehrheim ein. Vier Jugendherbergen dienen seitdem als Impfzentren, andere bringen zum Beispiel übergangsweise Soldaten, angehende Offiziere, junge Geflüchtete oder gestrandete Seeleute unter. In den übrigen Häusern herrscht Leere. „Wir möchten so bald wie möglich wieder unserem eigentlichen Vereinszweck nachgehen und ein Ort der Begegnung sein, natürlich im verantwortungsvollen Rahmen“, versichert Wehrheim. Sollte es nach wie vor keine Öffnungsperspektiven für touristische Übernachtungen geben, bleiben die Türen der Jugendherbergen für sinnstiftende Sondernutzungen weiterhin geöffnet.
Ausblick
Derzeit liegt die Vorbuchungslage für 2021 mit etwa 570.000 Übernachtungen rund 30 Prozent unter dem Forecast normaler Jahre. Doch ob diese Reisen stattfinden werden, ist fraglich. Vor allem im Bereich der Klassenfahrten und Gruppenreisen erreichen die Jugendherbergen erneut täglich Stornierungen – überwiegend für die erste Jahreshälfte. Einzelne Bundesländer haben bereits Verbote für Klassenreisen in den kommenden Monaten ausgesprochen. Daher zeichnen sich viele weitere Absagen ab. Zudem sind die Gäste bei Neubuchungen noch zurückhaltend. Deshalb ist der DJH-Landesverband Nordmark auf ein kurzfristiges Buchungsgeschäft eingestellt und hofft auf eine entspanntere Lage bis Ostern. Gut vorbereitet auf die Wiedereröffnung sind die Jugendherbergen im Norden allemal: Die erweiterten Hygienekonzepte sind dank der Sommerbelegung praxiserprobt. Besonders flexible Stornierungsbedingungen gelten für alle Gäste. Manche Herbergsteams haben die Schließzeit genutzt, um frischen Wind ins Haus zu bringen und neue, zielgruppengerechte Angebote zu kreieren. Bleibt zu hoffen, dass diese möglichst bald genutzt werden können.
Über den DJH-Landesverband Nordmark e.V.
Zum nördlichsten Landesverband des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) gehören aktuell 45 Jugendherbergen, davon 39 in Schleswig-Holstein (davon zwei Partnerhäuser), zwei in Hamburg und vier in Nordniedersachsen. Viele seiner Jugendherbergen liegen an Küsten, mitten im Grünen oder im Herzen einer Stadt. Der gemeinnützige Verein ist ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe und beschäftigt gewöhnlich im Durchschnitt ca. 700 Mitarbeiter. Mit individuell ausgearbeiteten Programmen für Klassenfahrten und Familienurlaube sowie Angeboten für junge Seminar-, Musik- und Sportgruppen möchte der Landesverband Werte wie Solidarität, Offenheit und Nachhaltigkeit fördern. Für den Aufenthalt in einer Jugendherberge ist eine DJH-Mitgliedschaft erforderlich. Der DJH-Landesverband Nordmark e.V. betreibt eine kostendeckende Preispolitik und finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge sowie Übernachtungseinnahmen; der laufende Betrieb wird nicht öffentlich gefördert. Aufgrund seiner Gemeinnützigkeit darf der Verein nur geringe Rücklagen bilden, die sofort in die Struktur seiner Häuser reinvestiert werden. Daher hat die Corona-Krise den Verband hart getroffen.