Herzogtum Lauenburg (pm). 5,54 Euro Verdienstunterschied – für jede geleistete Arbeitsstunde: Beschäftigten, die im Kreis Herzogtum Lauenburg nicht nach Tarif bezahlt werden, entgehen je nach Beruf und Betrieb monatlich mehrere hundert Euro. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit Blick auf neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes hingewiesen. In Schleswig-Holstein verdienen danach Beschäftigte, die in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, im Schnitt 18,93 Euro pro Stunde. In Betrieben ohne Tarifvertrag sind es lediglich 13,39 Euro.
„In der Corona-Krise wird diese Einkommenskluft teils noch größer. Denn wo ein Tarifvertrag gilt, stocken Firmen häufiger das staatliche Kurzarbeitergeld auf“, sagt Silke Kettner von der NGG-Region Hamburg-Elmshorn. Wer etwa in der Systemgastronomie (McDonald’s, Burger King) arbeite, komme in Kurzarbeit auf 90 Prozent des Netto-Einkommens – per tariflicher Regelung. In Hotels und Gaststätten ohne Tarifvertrag oder Betriebsrat seien Beschäftigte im Zuge der Pandemie hingegen deutlich häufiger von existentiellen Nöten betroffen – bis hin zur Sorge um ihren Arbeitsplatz. „Umgekehrt sorgen Arbeitnehmervertreter aber auch dafür, dass zusätzliche Belastungen erträglich bleiben. So haben sich in der Ernährungsindustrie Arbeitszeitkonten bewährt, mit denen Auftragsspitzen, etwa durch Hamsterkäufe, bewältigt werden können“, erklärt Kettner.
Die Gewerkschafterin ruft die Unternehmen im Lebensmittel- und Gastgewerbe dazu auf, sich gerade in Pandemiezeiten zu Tarifverträgen zu bekennen. Durch faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen könnten sie Fachpersonal halten, das auch nach der Krise dringend gebraucht werde. Zugleich profitiere die öffentliche Hand: Nach einer DGB-Studie würden die Einnahmen durch die Einkommenssteuer in Schleswig-Holstein um 495 Millionen Euro steigen, wenn alle Beschäftigte nach Tarif bezahlt würden. Die Sozialversicherungen kämen auf ein Plus von 850 Millionen Euro. Die Kaufkraft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern würde sogar um 1,2 Milliarden Euro wachsen. Die Ergebnisse der Studie sind im Internet abrufbar unter https://www.dgb.de/zukunftsdialog/tarif/tarifflucht-atlas
Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung galt in Schleswig-Holstein zuletzt für 52 Prozent aller Beschäftigten ein Tarifvertrag. „Die sinkende Tarifbindung ist auch dafür verantwortlich, dass die Einkommenszuwächse trotz der vergangenen Boom-Jahre nur sehr dürftig ausfielen“, urteilt Kettner. Laut Statistischem Bundesamt wuchsen die Bruttoverdienste Vollzeitbeschäftigter in Schleswig-Holstein zwischen 2010 und 2019 preisbereinigt um 6,9 Prozent.