Dassendorf (pm). Wie in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens hat die Corona-Pandemie auch Auswirkungen auf die Tätigkeiten der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten. Nina Stiewink nimmt seit Mai 2014 diese Aufgabe im Amt Hohe Elbgeest wahr und legt jetzt ihren sechsten Tätigkeitsbericht vor.
„Lange geplante Veranstaltungen sind ausgefallen, aber die Beratungszahlen sind trotz oder wegen Corona gestiegen. Vor allem aber wurden Themen, die vorher schon gleichstellungsrelevant waren, wie im Vergrößerungsglas sichtbar“, blickt Nina Stiewink in ihrem Jahresbericht Juli 2019 bis August 2020 zurück. Dabei steht der Zeitraum seit März 2020 im Mittelpunkt. In 40 Beratungen wurde Nina Stiewink doppelt so oft wie im Vorjahreszeitraum aufgesucht in ihrem Büro im Amtsgebäude in Dassendorf oder konnte am Telefon Hilfestellung geben.
Schließungen von Kitas und Schulen
Zu Beginn der Schließungen von Schulen und Kitas sowie des Home-Office vieler Eltern rückten die Themen wie Aggressivität, häusliche Gewalt sowie mögliche Kindeswohlgefährdungen in den Vordergrund. „Am 24. März verfasste ich aufgrund der 8. Allgemeinverfügung des Landes Schleswig-Holstein eine Mail an die Schul- und Kita-Leitungen, in der ich auf das Thema hinwies und auf die Möglichkeit, „besonders schutzbedürftige Kinder“ in die Notfallbetreuung aufzunehmen.“
Die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragen im Kreis Herzogtum Lauenburg haben sich dem Aufruf „Wann, wenn nicht jetzt!“ angeschlossen, mit dem sich 20 deutschlandweit tätige Organisationen und Verbände an die Öffentlichkeit gewandt haben. Dieser Aufruf verdeutlicht die entscheidenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Geschlechtergerechtigkeit. So macht er deutlich, welche Jobs systemrelevant sind. Nina Stiewink: „Es sind Kranken- und Altenpfleger*innen, Verkäufer*innen, Arzthelfer*innen, Erzieher*innen und viele, deren Arbeit in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wird.“ Meist werden diese Berufe von Frauen ausgeübt, die den Laden am Laufen halten und die der erhöhten Ansteckungsgefahr trotzen. Trotzdem werden sie schlecht bezahlt in diesen typischen Frauenberufen. „Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss jetzt und für die Zukunft neu bewertet werden“, betont Nina Stiewink.
Wann, wenn nicht jetzt, werde deutlich, dass Minijobs, in denen überwiegend (62 Prozent) Frauen arbeiten, in die (Alters-)Armut führen. Von den Regelungen des Kurzarbeitergeldes können Minijobberinnen nicht profitieren, da sie nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Seit Jahrzehnten fordern die Gleichstellungsbeauftragten, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln.
Wann, wenn nicht jetzt, werde deutlich, dass die eigenen vier Wände für einige Frauen ein gefährlicher Ort sind. Unter den eingeschränkten Lebensumständen wachsen Spannungen und Stress. Fälle von partnerschaftlicher Gewalt haben bereits wenige Wochen nach den pandemiebedingten Einschränkungen zugenommen.
Wann, wenn nicht jetzt, werde deutlich, dass Care-Arbeit überwiegend von Frauen geleistet wird. Frauen sind es, die wegen der geschlossenen Kitas und Schulen hauptsächlich die Kinder betreuen und die Versorgung der Familie übernehmen – neben ihrem systemrelevanten Beruf oder im Homeoffice.
Besonders schwierig sei die Alltagssituation für Alleinerziehende, wenn die Betreuungseinrichtungen geschlossen sind und vom Arbeitgeber Homeoffice angeordnet wird. Stiewink: „In Alleinverantwortung mit Kindern zu Hause zu arbeiten, ist eine maßlose Überforderung. Finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen für Alleinerziehende müssen verbessert werden.“
Wann, wenn nicht jetzt, werde deutlich, dass geflüchtete Frauen und Kinder in ganz besonderer Weise betroffen sind durch die beengten Wohnverhältnisse in Gemeinschaftsunterkünften und isolierten Sammellagern. „Bei der Umsetzung der Forderungen nach finanzieller Aufwertung und besseren Strukturen für die Familien auch in Pandemiezeiten erwarten wir von Politik, Arbeitgeber*innen und allen Verantwortungsträger*innen ein ebenso engagiertes, sachbezogenes, mutiges und zeitnahes Handeln wie jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie“, betont Gleichstellungsbeauftragte Nina Stiewink.
Mehr Beratungen, mehr Informationen und mehr Netzwerkarbeit, auch digital, sollen helfen, die Lage der Betroffenen kurzfristig zu verbessern. Dazu gehört auch die Information über die Aktion Codewort „Maske 19“. „Wenn eine Frau dieses Codewort nennt, drückt sie damit aus, dass sie von häuslicher Gewalt betroffen ist. Das kann sie in Apotheken, bei Ärzten oder an anderer Stelle im öffentlichen Raum tun – bitte seien Sie aufmerksam!“, wendet sich Nina Stiewink an die Öffentlichkeit.
Home-Office war im Amt eine große Herausforderung
Auch für die Mitarbeiter im Amt Hohe Elbgeest war die Schließung von Kitas und Schulen eine große Herausforderung. „Mehrfach habe ich intern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu beraten“; berichtet Nina Stiewink. „Gute Absprachen innerhalb des Hauses zwischen Dienststelle und Fachamtsleitungen, Personalamt, Personalrat und Gleichstellungsbeauftragter haben zu guten Lösungen geführt.“ Diese Absprachen waren so erfolgreich, dass der Home-Office-Bereich im Amt Hohe Elbgeest auch nach dem „Lock-Down“ weitergeführt wird, angepasst an die Service-Dienstleistungen für die Bürger.
Ausblick auf Herbst 2020
In Kooperation mit der Frauenberatung Herzogtum Lauenburg „Frauen in Not e. V.“ bietet Nina Stiewink im Amtsgebiet seit September 2019 kostenlos und anonym Beratungen an. Ab September 2020 werden wieder an jedem 1. Dienstag im Monat persönliche Beratungen in der Außenstelle Dassendorf stattfinden. Ein Termin kann bei der Beratungsstelle vertraulich unter 04151- 8 13 06 vereinbart werden.
„Mit Hygiene-Konzepten versuche ich in der zweiten Jahreshälfte eine Rückkehr zu Veranstaltungen. So findet am 22. September von 17 bis 20 Uhr eine Infoveranstaltung zu „Pflegebedürftigkeit“ statt. Am 27. Oktober, 17 bis 20 Uhr zu „Demenz“. Am 28. November von 10.30 bis 16.30 Uhr findet in Wohltorf das nächste „WenDo-Training“ statt. Alles steht unter dem Vorbehalt, dass die Landesverordnungen dieses zulassen. Die Beratung von FRAU & BERUF ist weiterhin nur telefonisch und digital möglich. Anmeldung über Sandra Hansen unter der Rufnummer 0160/240 50 22.