Ratzeburg/Sopot (pm). Mit vielen Eindrücken von proeuropäischer Begeisterung und ganz unterschiedlichen Formen von Zivilcourage ist der Ratzeburger Kinder- und Jugendbeirat von seiner Europaexkursion in die polnische Partnerstadt Sopot zurückgekehrt. 20 Teilnehmer*innen hatten in Eigenregie diesen viertägigen Besuch vor den Herbstferien geplant und im Rahmen des Jugendfonds der „Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen“ selbständig umgesetzt.
Empfangen wurden sie in Sopot mit offenen Armen und der Zusicherung, das jedwede Form des partnerschaftlichen Austausches dort hoch willkommen ist. Bürgermeister Jacek Karnowski betonte auf einem Empfang der Ratzeburger Jugendlichen im Sopoter Rathaus, wie wichtig es ist, diese partnerschaftlichen Bande zu pflegen, gerade auch in einer Zeit, in der nationalistische Haltungen in Europa populistisch wieder Einzug halten in Politik und Gesellschaft. Wozu dies führen kann, erläuterte Karnowski am Beispiel der Ermordung seines Freundes, des Bürgermeisters von Danzig, Pawel Adamowicz, der im Januar diesen Jahres von einem verwirrten Täter unter mutmaßlich nationalistischen Motiven getötet wurde. Vorangegangen war eine mediale Hetzkampagne gegen den Bürgermeister und dessen eindeutig proeuropäischen und liberalen Haltung, an denen sich auch höchste politische Würdenträger aktiv beteiligten. Karnowski, der am Tage dieser Empfangs zusammen mit der Witwe des Ermordeten eine öffentliche Petition wider der Hasssprache in Politik und Gesellschaft gestartet hatte, warnte eindringlich davor, mit bösen Worten die Grundlage für noch bösere Taten zu legen.
Im Geist eines solchen Dialoges und der europäischen Kooperation, trafen die Ratzeburger Jugendlichen auch Sopoter Schüler zu einer gemeinsamen Diskussionsrunde zum Thema „Unsere Zukunft in Europa“. In polnisch-deutschen Kleingruppen wurde über Zukunftsfragen, Verbindendes und Trennendes sowie Lösungsmöglichkeiten zu Problemen, die eher global als national zu beantworten sind, engagiert auf Englisch miteinander gesprochen und Ideen, wie Anregungen dokumentiert. Dabei zeigten sich durchaus Unterschiede, was die Schüler von Europa erwarten. Während aus Ratzeburger Sicht Europa gerade bei drängenden globalen Fragen, wie dem Klimawandel eine hohe Bedeutung zu kommt, wurde aus polnischer Sicht zuvorderst das Thema Sicherheit mit Blick auf den russischen Nachbarn genannt. Einig war man sich darin, dass Nationalismus keine Antwort, sondern ein Problem ist und dass Rassismus wie auch Hass in den sozialen Medien gerade darin gedeiht.
Wie tief die polnische Gesellschaft selbst gespalten ist, konnten die Ratzeburger Jugendlichen während einer Stadtführung durch das benachbarte Danzig erfahren. Stadtführer Andreas Kasperski beschrieb einen Stadt-Land-Konflikt, der in Polen durchaus bewusst geschürt werde. Die Städte, so Kasperski, würden sich fast durchweg proeuropäisch, liberal zeigen und den nationalistischen Bestrebungen der Zentralregierung massiv widersprechen. Er zeigte dies eindrucksvoll am Beispiel der Geschichtsaufarbeitung in Danzig, eine Stadt, die sich zunehmend auf ihre deutschen Wurzeln besinnt, ohne dabei ihre polnische Identität in Frage zu stellen. „Es geht in Danzig vor allem um geschichtliche Wahrheit, die wir wieder hervorbringen. Damit ziehen wir aber den Zorn der Zentralregierung auf uns, die Danzig als urpolnisch darstellen möchte“, so Kasperski. Er zeigte auch, wie intensiv dieser Streit inzwischen ausgefochten wird, beispielsweise wenn die Zentralregierung versucht, über die Drohung, staatliche Zuschüsse zu streichen, Einfluss auf die inhaltliche Arbeit von Museen, wie die dem renommierten Europäischen Solidaritätsmuseum zu bekommen. Die Antwort darauf sei, so Kasperski, engagierte und kreative Zivilcourage. So hätten Danzigs Bürger in kurzer Zeit über ein Crowdfunding die fehlenden Mittel selbst aufgebracht, um einen unabhängigen Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten. Das Museum der „Westerplatte“, dem Ausbruchsort des zweiten Weltkrieges, verlor Danzig hingegen nach einer Gesetzesänderung an die polnische Zentralregierung, die dort eine patriotische Geschichtsdarstellung installieren möchte. So wurde während dieses Stadtrundganges auch deutlich, warum an so vielen öffentlichen Gebäuden oder Plätzen die Europaflagge zu sehen ist, zuvorderst immer als Zeichen des Widerstandes gegen einen bewusst geschürten und instrumentalisierten polnischen Nationalismus. Durch diese Eindrücke stellte sich für die Ratzeburger Jugendlichen das in den Medien von Polen gezeichnete nationalistische Bild sehr in Frage. Danzig und Sopot zeigten sich offen, tolerant und sehr lebensfroh, Orte die man gerne besucht und an denen man auch seine Freizeit mit vielen spannenden Aktivitäten gestalten kann. Katarzyna Choczaj, vom Stab des Sopoter Bürgermeister, begleitete die Jugendlichen hier zur Seebrücke, zum Bowlen und sogar zum Basketballbundesliga zwischen Sopot und Stettin in der beeindruckenden ERGO Arena.