Herzogtum Lauenburg (pm). Arm trotz Arbeit: Ein großer Teil der 25.900 Menschen, die im Kreis Herzogtum Lauenburg nur einen Teilzeit- oder Minijob haben, ist nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) von Erwerbsarmut bedroht. „Insbesondere Frauen, die halbtags oder nur einzelne Tage in der Woche arbeiten, fehlt am Monatsende das nötige Geld. Für viele Familien im Kreis ist ein Kinobesuch oder ein neuer Schulranzen längst zum Luxus geworden“, sagt Silke Kettner von der NGG Hamburg-Elmshorn mit Blick auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Danach ist jeder siebte Haushalt (15,3 Prozent) in Schleswig-Holstein armutsgefährdet.
Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Gewerkschafterin Kettner warnt vor einer „Schieflage in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt“. Es könne nicht sein, dass sich Tausende nötige Dinge des Alltags nicht mehr leisten könnten. „Dafür haben aber auch die Arbeitgeber eine Mitverantwortung. Wer sich um Tarifverträge drückt und auf prekäre Jobs statt Vollzeitstellen setzt, der sorgt für magere Lohnzettel“, kritisiert die NGG-Geschäftsführerin. So kommt eine Teilzeitkraft, die 25 Wochenstunden in einer Bäckerei oder Fleischerei arbeitet, die nicht nach Tarif zahlt, auf einen Verdienst von etwa 970 Euro brutto im Monat. Die Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern liegt nach amtlicher Definition hingegen bei aktuell 2.174 Euro pro Monat – netto.
„Längst nicht nur Alleinerziehende, sondern zunehmend auch Doppelverdiener haben Schwierigkeiten, über diese Grenze zu kommen. Die Leidtragenden sind oft die Kinder“, so Kettner. Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands stehen den ärmsten zehn Prozent der Paarhaushalte lediglich 44 Euro monatlich pro Kind für Freizeit, Sport und Kultur zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Familie sind es 123 Euro, bei den reichsten zehn Prozent 257 Euro.
Die NGG Hamburg-Elmshorn ruft Betriebe in der Region dazu auf, sich zu armutsfesten Tarifstandards und vollwertigen Arbeitsplätzen zu bekennen. Nur so könne Armut „an der
Wurzel gepackt“ werden. Aber auch die Politik sei viel stärker gefordert. „Das neue Bildungs- und Teilhabegesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht“, betont Kettner. Nach dem Gesetz gibt es für Kinder in Hartz-IV-Familien und Geringverdiener-Haushalten seit August einen Zuschuss von 150 Euro pro Schuljahr – etwa für Bücher oder Lernsoftware. Bisher waren es 100 Euro. Wer Wohngeld oder Kinderzuschlag bezieht, ist von Kita-Gebühren befreit.