Ratzeburg (pm). Junge Frauen und alte Frauen und drumherum eine wuselige Kinderschar – bei einem gemeinsamen Frühstück haben sie sich in der interkulturellen Schneiderwerkstatt des Diakonischen Werks in Ratzeburg zusammengefunden, um an einem sonnigen Junimorgen ihre Erfahrungen auszutauschen. Zwölf junge Frauen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak und drei ältere Frauen aus der Ukraine erzählten von ihrer Herkunft, von ihren Wünschen und Zielen und fanden sich trotz aller Unterschiede schnell vereint in der großen Herausforderung, sich in einem fremdem Land in einer fremden Sprache verständlich machen zu müssen. Der mit den vielfältigsten Leckereien und Spezialitäten der jeweiligen Länder gedeckte Tisch unterstrich das Motto der Zusammenkunft: Tischkultur im jeweiligen Brauch des Landes.
Hintergrund des Treffens war ein interkulturelles und interreligiöses Begegnungsprojekt, das aus einem Bedarf der noch im Aufbau befindlichen Liberalen Jüdischen Gemeinde Lübeck entstanden war. Sie mietet bei der evangelischen Domgemeinde zu Lübeck an festzulegenden Terminen einen Raum, in dem sie sich zu Gottesdiensten und anderen Anlässen treffen kann. Dieser Raum wird von der Domgemeinde ebenfalls für Jugendfreizeiten und andere Versammlungen genutzt. Um jüdische Feste nach üblichem Brauch zu begehen, ist es notwendig, die Tische festlich zu decken. Der Talmud vergleicht den gedeckten Tisch mit einem Altar.
Und so entstand die Idee, die benötigten weißen Tischdecken nicht einfach zu kaufen, sondern sie im Rahmen eines Begegnungsprojekts gemeinsam mit jungen Flüchtlingsfrauen selber herzustellen. Auch der Umstand, dass die jüdischen Frauen selbst vor längerer Zeit als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und ähnliche Erfahrungen in einem für sie zunächst fremdem Land gemacht haben, erschien dabei als ein hilfreich verbindendes Element der Begegnung.
Dank der Begeisterung an der Idee wurden über den Sommer hinweg pünktlich zum bevorstehenden jüdischen Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“ zwölf Tischdecken fertiggestellt, und dies trotz Ramadan und Id, das islamische Zuckerfest als feierlicher Abschluss der Fastenperiode. Die Gestaltungsfreude war offensichtlich nicht zu bremsen, wie sich die Mitglieder der Liberalen Jüdischen Gemeinde Lübeck mehrfach überzeugen konnten. Bei einem feierlichen Übergabetermin am vergangenen Dienstag wurde die getane Arbeit dankend bewundert und gleich demonstriert, wie ein geschmückter jüdischen Festtisch aussehen wird.
Das Projekt des „verbindenden Fadens“ wurde gefördert durch die Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, ein sogenanntes Kleinprojekt mit nur geringfügiger Fördersumme, aber großer interreligiöser und interkultureller Strahlkraft.