Lübeck (pm). Bis auf den kleinen, aber feinen Passagier-Flughafen Westerland auf Sylt ist Schleswig-Holstein momentan vom Flugreiseverkehr abgehängt. „Darum ist es ein wichtiges Signal und ein erster Meilenstein, wenn wir mit der Übergabe des offiziellen Zertifikats der europäischen Agentur für Flugsicherheit dem Flughafen Lübeck wieder die Chance eröffnen, zu einer kleinen Drehscheibe des Luftverkehrs zu werden“, sagte Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz gestern (11. März) in Lübeck bei der Übergabe des Zertifikats.
„Und das sage ich ausdrücklich als Verkehrs-, Wirtschafts- sowie Tourismusminister. Denn für all diese Branchen und Menschen, die hier arbeiten, ist ein funktionierender Flughafen entscheidend.“ In den Jahren zwischen 2000 und 2016, als regelmäßiger Linienflugbetrieb herrschte, seien jährlich bis zu 715.000 Passagiere abgefertigt worden. Das zeige auch die besondere Bedeutung für die schleswig-holsteinische Bevölkerung, die von dem Reiseangebot regelmäßig Gebrauch gemacht hätte, so Buchholz.
Sicherheit hat an einem Flughafen stets höchste Priorität. Das gilt insbesondere auch für die Infrastruktur auf der sognannten “Luftseite”, also für die Start- und Landebahn, die Roll- und Taxiwege, Navigationssysteme, die Anflugbefeuerung, aber auch für die Überwachung der Betriebssicherheit. Im Rahmen des umfangreichen Zertifizierungsprozesses wurde der Flughafen Lübeck auf Herz und Nieren durchleuchtet, 5000 Kriterien und Fragekomplexe aus den Bereichen Infrastruktur, Betrieb und Organisation beantwortet. Dabei ging es zum Beispiel genauso um die Tragfähigkeit der Piste wie um die Nachweiserbringung, dass jede einzelne verbaute Lampe Hersteller zertifiziert ist.
Das Zertifikat nach den Vorgaben der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) ist seit 2018 Voraussetzung für jeglichen Betrieb eines Flughafens, wenn mehr als 10.000 Fluggäste pro Jahr befördert werden. Dem Flughafen Lübeck wurde nun mit Übergabe des Zertifikates bestätigt, dass er alle Sicherheitsanforderungen der EASA sowohl bei der Infrastruktur als auch bei den betrieblichen Abläufen erfüllt.
Hierfür hat der Flughafen im Jahr 2018 nach Angaben seines neuen Eigentümers, des Lübecker Unternehmers Winfried Stöcker, erhebliche Anstrengungen und Investitionen unternommen. Dabei sei es beispielsweise um Nachweise gegangen, die Infrastruktur zu ertüchtigen, betriebliche Abläufe anzupassen und in einem Flughafenhandbuch darzustellen oder ein Sicherheitsmanagementsystem aufzubauen.
Die Erteilung des Zertifikats ist nach den Worten von Buchholz – neben dem jetzt rechtskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss – ein wesentlicher Meilenstein, um künftig aus Lübeck wieder einen Passagierflugverkehr zu ermöglichen.
Die EASA als Flugsicherheitsbehörde der Europäischen Union für die zivile Luftfahrt stellt sicher, dass internationale und nationale Regeln, Sicherheits- und Umweltstandards strengstens eingehalten werden. Als Ansprechpartner für die Zertifizierung ist die Landesluftfahrtbehörde in Kiel für die Stöcker Flughafen GmbH zuständig und gegenüber dieser Behörde erbringt der Flughafenbetreiber auch die erforderlichen Nachweise. „Um die Zusammenarbeit zu optimieren“, so Flughafen Geschäftsführer Jürgen Friedel, „wurde eine spezielle Software-Lösung implementiert, die die Kommunikation und Nachverfolgung des Arbeitsstandes erleichtert und nachvollziehbar macht. Darüber hinaus hat der Flughafen Lübeck in diesem Zusammenhang die Positon eines Compliance Managers eingerichtet, der intern für die Einhaltung der Regeln sorgt.” Die Zertifizierung könne als Prozess verstanden werden, so Friedel. “Einige Abweichungen wurden festgestellt, die zwar einen sicheren Betrieb nicht beeinträchtigen, aber die in den nächsten Jahren dem geltenden Standard angepasst werden müssen. Dazu gehört beispielsweise die Beschilderung der Start- und Landebahn, bei der die Buchstabengröße verkleinert werden muss oder die Hinterstrahlung der Lampen.”
Für die Stöcker Flughafen GmbH ist die EASA-Zertifizierung ein Baustein zur Wiederbelebung des Passagierbetriebs, weitere Infrastrukturmaßnahmen sieht der Masterplan vor. Der im Masterplan dargestellte Ausbau des Flughafens hat begonnen, mit der endgültigen Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses, ist Ende 2018 auch der rechtliche Rahmen dazu erreicht worden.
Vorgesehen sind u.a. umfangreiche Investitionen in die Passagieranlagen, damit bereits im Sommer 2020 der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Bis zur Inbetriebnahme des geplanten großen Terminalneubaus werden Passagierdienstleistungen und Gepäckabfertigung zunächst in Flugzeughangars stattfinden. In diesem Zusammenhang werden drei Stahlhallen als interimistische Terminalerweiterung gebaut, die später an anderer Stelle als großzügige Hangars am Flughafen Lübeck Einsatz finden.
Derweil kurbelt die Geschäftsführung die schrittweise Wiederaufnahme des Flugverkehrs an. Auf der Fachmesse der Tourismus-Wirtschaft ITB in Berlin gab es dazu weitere interessante Gespräche mit Airlines, Tourismusverbänden und Reiseveranstaltern. „Um aber auch unabhängig von den Entwicklungen im Airline-Markt agieren zu können, haben wir bereits 2017 die Lübeck Air GmbH gegründet“, so Unternehmer und Flughafeneigentümer Prof. Winfried Stöcker. „Gemeinsam mit unserem Partner Air Alsie soll in diesem Jahr eine vollwertige Airline-Lizenz, ein sogenanntes AOC, aufgebaut werden. Die konkreten Strecken werden in den nächsten Monaten ausgearbeitet. Eine Verbindung nach Skandinavien, z.B. nach Stockholm, ist sehr gut vorstellbar.“
Air Alsie ist ein Leasing-Anbieter und Charterspezialist aus dem dänischen Sonderburg. Derzeit betreibt die Airline 19 Flugzeuge, vor allem Businessjets und einen Helikopter. Im Portfolio sind Maschinen mit Kapazitäten von fünf Sitzen bis hin zu 64-sitzigen ATR-72. Jens Østerlund Jensen, zuständig für die Geschäftsentwicklung und Aufsichtsratsvorsitzender von Air Alsie bestätigt: „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit mit Lübeck Air im Business Jet-Bereich zusammen und freuen uns darauf, es jetzt auf den Charter/Linien-Verkehr zu erweitern. Lübeck Air ist für uns ein Wunschpartner, wir haben denselben Zugang zum Linienfluggeschäft – durch Qualität – und wir ergänzen uns sehr gut.“
Ein hoher Qualitätsanspruch und Mobilität für den Norden, für Schleswig-Holstein, Mecklenburg und den Wirtschaftsstandort Lübeck sind Ziele, die sich die Geschäftsführung des Flughafens gesetzt hat: Um den Tourismus in die Ostseeregion zu fördern, Lübeck als Standort für Kreuzfahrten attraktiv zu machen, aber auch den Bewohnern der beiden Nordstaaten über die Anbindung an größere Flughäfen die Welt zu erschließen.