Ratzeburg (aa). Bereits am Montag (4. März) hatte die Gewerkschaft ver.di Süd die Kandidaten für die kommende Bürgermeisterwahl zur Fragerunde in die Jugendherberge in Ratzeburg eingeladen. Rund 80 Gäste, darunter viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung, hatten in diesem Rahmen noch einmal Gelegenheit die fünf Bürgermeisterkandidaten, Sami El Basiouni (Fraktion Bürger für Ratzeburg) und Manfred Börner (SPD), Gunnar Koech (parteilos), Thomas Kuehn (FDP) und Björn Knabe (parteilos) nochmals gesondert unter die Lupe zu nehmen.
„Wir wollen wissen, wofür stehen Sie?“, leitete Annette Falkenberg, Fachbereichssekretärin bei ver.di Süd, den Abend ein, bevor sie die Moderation an Thomas Biller abgab. Dieser sorgte für ein sehr diszipliniertes Frage-Antwort-Ping-Pong, das die Veranstaltung relativ kurzweilig erscheinen ließ. Drei Minuten Zeit hatte jeder Kandidat, sobald ihm das Wort erteilt wurde. Wer überzog, erhielt die gelbe Karte. Nach einer obligatorischen Vorstellungsrunde wurden schwerpunktmäßig die Themen „Arbeitswelt“ und „Ansiedlungspolitik“ beleuchtet.
Der Bürgermeister Ratzeburgs ist Chef von rund 180 Mitarbeitern. Woher soll künftig der Nachwuchs kommen?
Björn Knabe will als Bürgermeister mit seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe agieren, sie motivieren, so ein gutes Arbeitsklima schaffen, um damit für neue Fachkräfte zu werben. Lohnerhöhungen stehen für ihn dabei nicht im Vordergrund. „Das Geld muss man erst einmal haben“, sagte Knabe.
Sami El Basiouni möchte den „Mitarbeitern mehr Freiräume geben“. „Ich will nicht nur fordern, sondern auch fördern“, erklärte er seinen Motivationsansatz. Zudem sieht er die Lösung darin, dass die Stadt verstärkt Nachwuchs ausbildet und diese Mitarbeiter anschließend auch übernimmt, „selbst wenn dann mal eine Stelle kurzzeitig doppelt besetzt ist.“ Zudem kann er sich moderne Arbeitsformen wie Homeoffice vorstellen.
„Geld allein ist nicht alles“, stellte auch Manfred Börner fest und warb ebenfalls mit einem guten Arbeitsklima. Der Krankenstand innerhalb der Verwaltung sei hierbei auch wichtiges Arbeitsfeld, das er angehen will. „Man muss vorleben, wie gern man zur Arbeit geht“, gab Börner zu Protokoll, der künftig mit dem Personalrat „auf Augenhöhe“ reden will.
„Das Personalproblem wird in Zukunft immer gravierender werden“, wusste Thomas Kuehn zu berichten. Wenn große Städte wie Lübeck ihre Gehälter erhöhen, müsse Ratzeburg das auch tun, um für Fachkräfte attraktiv zu sein. Zudem schlägt er vor „auf Vorrat“ einzustellen, „flexiblere Arbeitszeiten“ einzuführen und „erheblich mehr“ auszubilden.
„Der Bürgermeister hat klar die Funktion, mit seinen Mitarbeitern zusammen zu arbeiten“, schreibt sich Gunnar Koech auf die Fahne. Wie Kuehn plädiert er für flexiblere Arbeitszeiten, wolle das aber zunächst mit Fachbereichsleitern und Personalrat besprechen. Koech: „Aber zunächst muss ich jede Abteilung genau kennenlernen und dann kann man das Arbeitsumfeld optimieren.“ Auch Koech sieht die Notwendigkeit, dass die Stadt für mehr Fachpersonal selber ausbildet. Eine zentrale Aufgabe sei es, eine Nachfolgeregelung rechtzeitig anzugehen. „Für finanzielle Anreize sehe ich derzeit keine Spielräume“, so Koech.
Wie schafft man es, mehr junge Familien in Ratzeburg anzusiedeln, und ist Wohnen in Ratzeburg zu teuer? So lautete der nächste Frageblock.
„Dass Ratzeburg für junge Familien attraktiv ist, ist klar. Wir müssen nur dafür sorgen, dass Ratzeburg auch attraktiv bleibt“, meint Björn Knabe. Dass Wohnen in Ratzeburg zu teuer ist, denkt er nicht.
Sami El Basiouni will mehr Anreize schaffen, auch wenn er den Zuwachs an jungen Familien in Ratzeburg in den letzten Jahren als gut bewertet. Neuansiedlungen könne man aber vielleicht auch über die Grunderwerbssteuer regeln.
„Ratzeburg ist eine alte Stadt“, stellt Manfred Börner fest, „da müssen wir gegensteuern.“ Junge Familien hätten Wünsche wie Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen. Ein Eigenheim könne sich nicht jeder leisten und bezahlbarer Wohnraum sei in Ratzeburg rar, so Börner weiter: „Ich bin überzeugt, dass Ratzeburg bezahlbaren Wohnraum braucht, nicht nur Eigenheimbau, auch Geschosswohnungsbau.“
„Ratzeburg ist eine wunderschöne Stadt mit seinen Seen und Freizeitmöglichkeiten“, sieht Thomas Kuehn die Inselstadt gut aufgestellt. Die Kitaplatznachfrage bezeuge hier die Attraktivität der Stadt. Mit seiner „guten Schul- und Kitaplatzversorgung“ habe Ratzeburg bereits sehr gute Argument für die Ansiedlung junger Familien.
„Wir sind gut aufgestellt, was den Zuzug angeht“, ist auch Gunnar Koech überzeugt. Die Schulversorgung sei gut, die Stadt attraktiv. Nur bei der offenen Freizeitgestaltung für die Jugend sieht er noch Luft nach oben. Zudem müsse Ratzeburg aufgrund seiner zentralen Lage zwischen Hamburg, Lübeck und Schwerin sich um eine Optimierung des öffentlichen Personennahverkehrs bemühen.
Zum Schluss ließ Thomas Biller noch Fragen aus dem Publikum zu. Auch hier ließ er für die Beantwortung maximal drei Minuten Zeit und der Fragesteller durfte seine Frage an höchstens zwei Kandidaten richten. Hier wurden unter anderem Manfred Börner und Gunnar Koech befragt, ob und von wem sie finanzielle Unterstützung im Wahlkampf erhalten, was sie offen beantworteten. Sami El Basiouni und Thomas Kuehn sollten erklären, wie sie den Dienstleistungsgedanken im Rathaus verbessern wollen. Die Antworten lauteten zusammengefasst: Mehr unternehmerisches Denken (El Basiouni) und mehr Digitalisierung (Kuehn). Weitere Fragen betrafen das Stadtarchiv, der Wegzug der Hauptgeschäftsstelle der Kreissparkasse, die Sportförderung sowie die große Umgehungsstraße.
Thomas Biller entließ die Kandidaten mit einer augenzwinkernden Fangfrage: Was würden Sie zur Wahl auf kleine Notizzettel schreiben, die an 100 mit Helium gefüllten Ballons hängen? Hier hatten die fünf Wahlkämpfer verschiedene Antworten von „Ratzeburg ist eine schöne Stadt“ bis „Gehen Sie bitte wählen“ im Angebot. Biller löste mit der einzig richtigen Antwort auf: In der heutigen Zeit lässt man zum Schutz von Flora und Fauna keine Ballons mehr steigen.