Berlin (hib/HAU). Homosexualität im Fußball stellt nach wie vor ein Tabu dar. Diese Einschätzung vertraten am Mittwoch vor dem Sportausschuss sowohl Jörg Litwinschuh von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) als auch Professor Martin Schweer von der Universität Vechta, der das von der BMH initiierte Projekt „Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie und gegen Sexismus“ wissenschaftlich begleitet.
Ziel sei es, das Tabu aufzubrechen, sagte Litwinschuh. Mit dem Projekt und starken Partnern wie dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) wolle man Verbände und Vereine für das Thema sensibilisieren. Langfristig sollten Sportler ganz selbstverständlich zu ihrer sexuellen Orientierung stehen können, sagte der BMH-Vertreter.
Aus Sicht des Psychologen Schweer ist derzeit zwar durchaus ein Wertewandel in der Gesellschaft in Richtung einer Kultur der Akzeptanz zu konstatieren. Auf der anderen Seite sei aber festzustellen, dass es weiterhin im sozialen Miteinander Diskriminierungen gebe – so auch im organisierten Sport. Teilweise sei gar ein Anstieg an Vorurteilen festzustellen, verbunden mit ablehnenden Haltungen und Handlungen gegenüber bestimmten Gruppen. Das habe damit zu tun, dass die Menschen versuchten, durch Kategorisierungen sich die immer komplexer werdende Welt zu vereinfachen.
Dem Sport, als Vermittler von Werten und Normen, komme eine hohe soziale Verantwortung zu, sagte Schweer. Das gelte insbesondere für den Fußball. Hier gelte es zu sensibilisieren. Manchem Nachwuchstrainer sei es vielfach gar nicht bewusst, dass einzelne Sprüche homophob oder sexistisch sind. Wo genau Homophobie und Sexismus anfingen, sei nicht genau zu definieren, machte der Psychologe deutlich. Es gehe dabei aber immer um Abwertung und darum, „sich über eine Gruppe zu stellen“, erläuterte er. Dies könne durch subtile Äußerungen, verbale Angriffe oder körperliche Attacken erfolgen. „Das Kriterium, was sexistisch oder homophob ist, ist immer derjenige, den es trifft“, sagte Schweer.
DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg – im Verband zuständig für Sozial- und Gesellschaftspolitik – sagte, der Fußball sei „nicht der geborene Partner beim Kampf gegen Homophobie, aber ein naheliegender“. Der Fußball stelle sich der Verantwortung, weil er sehr viele Menschen erreiche. Dem DFB sei auch bewusst, dass gerade bei der Ausbildung von Nachwuchstrainern und Nachwuchsbetreuern eine Sensibilisierung für das Thema nötig sei.
Sven Kistner vom Queer Football Fanclub (QFF), einem Netzwerk schwul-lesbischer Fanclubs in Europa, sprach sich ebenfalls für eine Stärkung der Kompetenz von Übungsleitern aus. So könnten Nachwuchssportler schon in jungen Jahren vorurteilsfrei gemacht werden, „was in der Regel dazu führt, dass sie es auch bleiben“. Was die Fanszene im Fußball angeht, so sei es in den vergangenen Jahren immer besser gelungen, diese für die Problematik Homophobie und Sexismus zu sensibilisieren. Kistner verwies auf einen Begebenheit bei einem Bundesligaspiel von RB Leipzig. Nachdem Auswärtsfans eines anderen Bundesligisten den schwul-lesbischen Fanblock der Leipziger massiv homophob beleidigt hätten, habe es im folgenden Heimspiel eine sehr starke Solidarisierung der anderen Fans mit dem Fanclub Rainbow-Bulls gegeben, sagte er.