Mölln (pm). Der Kulturpreisträger des Jahres 2018 heißt Ebrahim Sharghi. Klaus Schlie, Präsident der Stiftung Herzogtum Lauenburg, und sein Stellvertreter Wolfgang Engelmann überreichten dem gebürtigen Iraner die Medaille am vergangenen Sonnabend im Möllner Stadthauptmannshof. Sharghi erhielt die Auszeichnung unter anderem für sein Friedensschild-Projekt, für das der Künstler von Gemeinde zu Gemeinde zieht, um zusammen mit den Bürgern Kunstwerke zu entwickeln, die für Offenheit und Menschlichkeit stehen.
Stiftungspräsident Schlie bezeichnete die Preisverleihung als „ein deutliches Zeichen gegen Intoleranz, politischen Populismus und Fremdenfeindlichkeit“. Er verortete Sharghi als 25. Kulturpreisträger in einer klaren Tradition. „Unsere Preisträger verkörpern künstlerische Kreativität, gepaart mit Toleranz und Weltoffenheit – Merkmale, Geisteshaltungen, die unsere bundesrepublikanische Gesellschaft gerade jetzt mehr denn je als gelebte Wirklichkeit auf allen Ebenen braucht, so Schlie.
„Herr Sharghi bringt mit seinen Kunst-Projekten Menschen zusammen. Auf diese Weise wird Kunst zum Katalysator“, lobte Jörg-Rüdiger Geschke, Vorsitzender der sechsköpfigen Jury und Mitglied des Stiftungsvorstandes, die Arbeit des Preisträgers. Neben der hohen künstlerischen Qualität sei genau dies – die Bindung des Preisträgers an die Region und seine Menschen – ein Kriterium für die Auszeichnung gewesen.
Mit seinem Friedensschild-Projekt war der frischgebackene Kulturpreisträger bereits in Mustin und Ratzeburg. Derzeit arbeitet er mit den Bürgern in Kittlitz an einem weiteren Kunstwerk. Die Sorge um den Frieden in der Welt treibt Sharghi um. Neuerdings verfolgt sie ihn auch in Deutschland. Vor kurzem habe er sich das noch nicht vorstellen können, weil hier doch alles in Ordnung sei und es keinen Grund gebe, Groll gegeneinander zu hegen. Dies habe sich aber seit der Flüchtlingskrise verändert.
Einen Sonderpreis für sein Lebenswerk erhielt am Sonnabend Professor Dr. Eckardt Opitz. Die Akademie der Stiftung würdigte hier insbesondere seine kenntnisreichen und unermüdlichen Forschungen zur Geschichte des Herzogtums Lauenburg.
Der Förderpreis für den Nachwuchs ging an Florian Klein. Klein engagiert sich in der Kultur-Community der Stiftung Herzogtum Lauenburg, die unter anderem das Pegasus Open Air Festival organisiert. Darüber hinaus spielt er erfolgreich in den Bands „About Blank“ und „Fatal4You“.
Den Sonderpreis für junge Künstler vergab die Stiftung Herzogtum Lauenburg an Melina Waliczek. Die junge Fotografin hatte krebskranke Frauen porträtiert und die Bilder über eine Wanderausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt.
Flammende Appelle für eine bessere Welt – Ebrahim Sharghis Weg zur Kunst und zum Friedensschild-Projekt
Schon als Junge legte Ebrahim Sharghi gerne Feuer. In Windeseile fegten die Flammen über das Papier und verwandelten die Welt, so wie er sie sah, in Kohlestriche. Blumen, Sträucher, Menschen, Tiere, Gebäude. Nichts war vor ihm sicher.
Damals in den Straßen von Teheran entdeckte der kleine Ebrahim seine „Lust am Zeichnen“, die ihn bis heute nicht verlassen hat. „Da brennt was“, sagt er und holt einen kleinen Block mit Skizzen hervor. Zwei Minuten brauche er für eine Zeichnung. – Wenn er einen Bleistift zur Hand hat. Mit dem Kugelschreiber funktioniert es nicht.
Die flammenschlagende Skizze. Es ist das Staunen über die Welt und der Versuch, sie auf Papier zu bannen. Eine Selbstvergewisserung, dass das, was er sieht, auch da ist. Dass diese Form, sich dem Hier und Jetzt zu widmen, etwas Besonderes sei, sei ihm nicht klar gewesen, meint Ebrahim Sharghi. „Ich war in der Schule zwar der Beste im Fach Kunst, aber ich dachte, das Talent dafür haben alle.“ Auch habe er als Kind nicht darüber nachgedacht, was das eigentlich ist – Kunst.
Die Zeit dafür findet er schließlich an der Universität. Aus dem Jungen, der einfach loslegt, wird ein Kunststudent. Ein Meister seines Fachs bringt ihn voran. Er lernt – will sich an alles heranwagen, kein Motiv auslassen und muss feststellen: Im Reich der Mullahs, die mittlerweile das Land regieren, geht das nicht. Das Training, dem er sich verschrieben hat, um sich weiter zu entwickeln, fällt aus. Wie, fragt er sich, könne er da den nächsten Schritt machen: eine Kunst erschaffen, die den Menschen etwas sagt?
Ebrahim Sharghi kehrt der Heimat den Rücken und geht nach Deutschland. Mehr als zwei Jahrzehnte später sitzt er an einem grauen Novembertag im Möllner Stadthauptmannshof und spricht über seine Arbeit, für die ihn die Stiftung Herzogtum Lauenburg mit dem Kulturpreis 2018 auszeichnet. Die Freude darüber ist groß. Sie steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er staunt wie ein kleiner Junge. Ich? Ich soll den Preis bekommen? Ja, er soll, er wird. Am kommenden Sonnabend ist es so weit.
Die Aussicht, plötzlich so in der Öffentlichkeit zu stehen, setzt dem 53-Jährigen ein wenig zu. Man möchte ihm zurufen: Nur Mut, es wird schon. Aber man weiß es ja von sich selbst, die Nervosität – Vorbote des unbekannten Terrains – lässt sich nicht besprechen wie eine Warze.
Immerhin lenkt das Gespräch hier ein wenig von dem großen Ereignis ab. Momentan arbeite er mit den Kittlitzer Bürgern an einem Friedensschild. Es sei das Dritte, das im Kreis Herzogtum Lauenburg entstehe. In Ratzeburg gebe es schon eins. Und in Mustin. „Wir wollen den Ort und seine Kultur schätzen“, sagt Ebrahim Sharghi.
Kittlitz – was ist das überhaupt? Mit Bürgern recherchiere er über die Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Ortes. Dabei gehe es nicht um die bloße Darstellung und Anhäufung von Fakten, sondern darum, gemeinsam Entwicklungen zu Tage zu befördern, die im Alltag verschütt gegangen seien. „Wir entscheiden alles zusammen“, betont er. „Die Farbe, die Platzierung. So bekommen die Leute eine größere Beziehung zu dem Projekt.“
Gemeinsam die Welt schöner machen, damit möchte Ebrahim Sharghi einen Kontrapunkt gegen die Gewalt setzen. Gewalt geht für ihn vom Individuum aus. Täter ist immer der Einzelne. Ob nun im Syrischen Bürgerkrieg oder bei einem Selbstmordanschlag wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016.
Die Brandherde dieser Welt machen ihm zu schaffen. Jahre lang haben sie in ihm gearbeitet. Warum gehen wir Menschen nicht respektvoller miteinander um – wie wir es beispielsweise mit der Rose tun, fragt er sich. Diese Blume sei so prächtig, dass wir ihre Dornen nicht so ernst nehmen. Ebrahim Sharghi hat seinen Weg, seine Idee gegen die sich immer weiter hochschaukelnde Gewaltspirale gesucht und schließlich in seinem Friedensschild-Projekt gefunden.
Dieser Weg hat ihm nun den Kulturpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg eingebracht. Für ihn ist das Ansporn, nicht müde zu werden und weiter zu machen. Seine Idee endet dabei mitnichten an den Grenzen des Kreisgebietes. „Ich denke nicht lokal, sondern global“, stellt der Preisträger klar. Gerade habe er den Chemnitzer Bürgermeister wegen eines Friedensschildes angeschrieben.