Ratzeburg (pm). Alltagsrassismus ist ein in vielerlei Hinsicht schwierig zu bearbeitendes Themenfeld. Es gilt nicht nur, festsitzende Vorurteile in den Köpfen der Menschen aufzubrechen und Ängste zu nehmen, sondern überhaupt seitens der Betroffenen von Vorfällen zu erfahren, die meist aus Scham und Verletzung verschwiegen und verborgen bleiben. Das Ratzeburger Bündnis und auch der Verein Miteinander leben beobachten und diskutieren diese Phänomenlage schon seit längerer Zeit und sind durch Berichte aus den Willkommenskulturen, über einen Anstieg rassistischer Vorfälle in den letzten Monaten motiviert worden, ein Dokumentationsprojekt ins Leben zu rufen.
Mit Unterstützung der Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen soll langfristig in Ratzeburg, wie im gesamten Kreisgebiet ein „Rassismus-Monitoring“ aufgebaut werden, das helfen soll, rassistische Vorfälle zu dokumentieren, ein Netzwerk zu Beratungseinrichtungen für Opfer von Diskriminierung und Rassismus aufzubauen, über ein regelmäßiges Berichtswesen sowie Vortragsveranstaltungen die allgemeine Öffentlichkeit zum Thema ”Alltagsrassismus” zu sensibilisieren und Multiplikator*innen zum Thema ”Alltagsrassismus fortzubilden.
Dabei nutzt das Projekt die vielen guten persönlichen Beziehungen, die es im Kreisgebiet in die unterschiedlichen migrantischen Milieus gibt und über die solche Vorfälle auch zur Sprache kommen. Solche Vertrauenspersonen, die auch von den vermeintlich niederschwelligen Erfahrungen Kenntnis gelangen, sei es, weil sie seit Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit oder beruflich in der Migrationsberatung oder Jugendarbeit tätig sind, sei es, weil sie mit eigener Migrationsbiografie als akzeptierter Mittler fungieren, sollen als Interviewer gewonnen werden, die für eine standardisierte Dokumentation geschult und zum Datenschutz verpflichtet werden. Begleitet wird das „Rassismus-Monitoring“ durch das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e.V. ( ZEBRA e.V.) in Kiel, die dieses landesweit einmalige Pilotprojekt mit Beratungsexpertise, Coaching und Auswertungskompetenz unterstützt.
Über das Angebot, rassistische Vorfälle dokumentieren zu wollen, wird seit einigen Wochen in mehrsprachigen Flyern informiert, die an vielen Zugangsstellen für die Zielgruppe ausliegen oder ihnen gezielt übergeben wird. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Angaben freiwillig erfolgen sollen, dass der Vorfall anonymisiert aufgenommen wird und das nur bei ausdrücklich artikuliertem Bedarf über die Zugangsstellen der Kontakt zu einer Vertrauensperson vermittelt wird. Aus den erfassten Vorfällen wird einmal jährlich ein ”Rassismusbericht” erstellt und veröffentlicht, anonymisiert in seiner Form, aber möglichst aussagekräftig mit Blick auf das Lagebild vor Ort. Dieser soll jeweils ergänzt werden, um Beispiele aus den sozialen Medien, in denen vielfach in enthemmterer Form rassistische Äußerungen getätigt werden als direkt von Angesicht zu Angesicht.
Parallel zum Erfassungswesen sollen zudem wiederkehrend öffentliche Veranstaltungen zum Thema ”Alltagsrassismus” organisiert werden, für alle Altersgruppen in unterschiedlichen Formaten, um die öffentliche Sensibilität gegenüber diesem Phänomen zu steigern. Ebenso sollen Multiplikatoren aus Sozialarbeit, Schulsozialarbeit, Jugendarbeit, Verwaltung, Institutionen und Vereinen in diesem Themenbereich niederschwellige Fortbildungsangebote vor Ort eröffnet werden.
Den Projektinitiatoren aus Ratzeburg und Mölln ist sehr bewusst, dass sie mit dem „Rassismus-Monitoring“ ein „dickes Brett“ bohren werden und dafür einen langen Atem brauchen. Schließlich wusste schon Albert Einstein, dass es leichter ist, ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil. Doch angesichts eines zunehmenden verrohten Umgangs in der Gesellschaft ist aus ihrer Sicht wichtig, im ersten Schritt öffentlich festzuhalten, wie wir miteinander umgehen.