Mölln/Hamburg (pm). Da liegt ein Kind auf einer Kiste vor dem Brunnen. Die Haut ist wächsern bleich, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Ein Schuh fehlt, das Hemdchen hängt achtlos aus der schmutzigen Jeans. Die kleine rosa Spange hält eine verklebte Haarsträhne irgendwie am Kopf. Geschmacklos? Provokativ? An den Bedürfnissen Europas vorbei? Das sind alles Fragen, die sich die Möllner Aktionskünstlerin Birgit Waniorek angesichts des Sterbens an europäischen Grenzen nicht stellt.
In ihre Aktionen am Möllner Bauhof und am Jungfernstieg Hamburg (mit Bettina Jung) flankieren die Plastik des ertrunkenen Kindes mehrere Rettungswesten mit Kreidekörperumrissen. An jeder Weste hängt eine sogenannte „Zehenkarte“, wie man sie aus der Pathologie kennt, mit Informationen zur Todesursache, Name, Alter und Familienstand. Die Informationen dazu sind der Liste von Dokumentation von UNITED for Intercultural Action; Stand vom 15. Juni 2017 entnommen und repräsentieren somit wirkliche Menschen und ihren Tod. Insbesondere geht es der Künstlerin um die Entmenschlichung dieser Toten. Der Wahrnehmung der Gesellschaft dazu, dass es sich eben nur um „Grenzübertritt“, Flücht-linge oder gar „Illegale“ handelt, tritt sie mit diesen Aktionen entgegen.
Auf die Frage nach der Motivation, so ein polarisierendes Thema künstlerisch aufzugreifen, antwortet Birgit Waniorek: „Tatsächlich bereitet es mir viel mehr Freude, Feenwelten oder Holzskulpturen zu erschaffen, und damit den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Jedoch fühle ich mich als Künstlerin verpflichtet über mein Sprachrohr, die Kunst, auch kritisch zu sein. Freunde haben mich im Vorfeld gefragt, ob ich nicht auch Angst hätte, das so öffentlich zu diskutieren, wegen meiner Familie, der Kinder. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Auch die Antwort einiger Bekannter hier auf meinen Aufruf zu der Aktion in Mölln. Da gab es wirklich Menschen, die zum Beispiel so etwas sagten wie ‚ich arbeite doch bei XY, da traue ich mich nicht so recht mich dort öffentlich mit hinzustellen‘. All das war für mich jetzt letztendlich der Auslöser, noch mehr Energie in meine Themen zu stecken, mit und neben der Kunst. Ob Menschen- oder Tierrecht, ich werde sicher nicht müde für ein friedliches und funktionierende miteinander zu arbeiten.“
Für weitere Informationen und Fragen zu dieser und anderen Aktionen ist die Künstlerin unter 0160/90345038 erreichbar. Die Nennung von Namen und Telefonnummer ist für sie selbstverständlich, auch bei diesen kritischen Themen.