Ritzerau (pm). Zum 1. Juli 2018 wird erneut die Rente erhöht: Um 3,37 Prozent (neue Bundesländer) bzw. um 3,22 Prozent. Auch der Fiskus profitiert davon: Die Finanzbehörde rechnet mit rund 300 Millionen Euro Steuermehreinnahmen allein durch die Erhöhung. „Diese Rentenerhöhung führt außerdem dazu, dass jetzt bundesweit zusätzlich 54.000 Rentner Steuern zahlen müssen“, sagt Kirsten Otte von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Ritzerau: „Aus Sicht der Rentner könnte man dies für eine teilweise Refinanzierung der Rentenerhöhung durch die Hintertür halten.“
Die Steuermehreinnahmen sind nicht auf die Rentenreform zurückzuführen. Seit 2005 wird die Rente umgestellt auf die sogenannte „nachgelagerte Besteuerung“. Das heißt, die Aufwendungen für die Altersvorsorge werden zunehmend steuerfrei gestellt. Dafür erhöhen sich im Gegenzug die Steuern, die für die Renteneinkünfte gezahlt werden müssen. Im Jahr 2005 begann die Umstellung, sie wird 2040 abgeschlossen sein. Das heißt: Wer 2005 in Rente ging, musste 50 Prozent der gesetzlichen Rente versteuern, bei Renteneintritt 2040 sind es dann 100 Prozent. Der Anteil der zu versteuernden Rente steigt bis 2020 jedes Jahr um 2 Prozentpunkte und dann bis 2040 um jeweils einen Prozentpunkt.
„Die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung hat sicher ihre Vorteile“, sagt Kirsten Otte. Denn der Beitrag zur Rentenversicherung, der sich steuermindernd auswirkt, erhöht sich ebenfalls. „Sie hat aber auch einen Nachteil: Die Rentenerhöhungen fließen immer zu hundert Prozent in den zu versteuernden Rentenanteil ein.“ Dies führt nicht nur dazu, dass immer mehr Rentner, bedingt durch die Erhöhungen, steuerpflichtig werden. „Es schafft auch eine unserer Meinung nach unnötige Verunsicherung. Denn immer mehr Rentner sind allein durch die Rentenanpassungen dazu verpflichtet, erstmals wieder eine Einkommensteuererklärung abzugeben“, sagt Kirsten Otte.
Zwei Beispiele, die veranschaulichen, wie sich die Rentenerhöhungen auswirken.
Auf einmal muss doch wieder eine Steuererklärung abgegeben werden
Ein Beispiel für eine alleinstehende Rentnerin aus Poggensee: Sie bezieht seit 1999 Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2005 – dem Beginn der schrittweisen Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung – waren es 12.723 Euro. Im Jahr 2005 wurden jeweils 50 Prozent der Rente als steuerfrei bzw. steuerpflichtig festgesetzt. In diesem Fall lag ihr steuerpflichtiger Rentenanteil bei 6361 Euro.
Durch die Rentenerhöhungen zwischen 2005 und 2017 erhöhten sich die steuerpflichtigen Bezüge der Frau in dem Beispielfall um 3437 Euro. Denn jede Rentenerhöhung fließt zu 100 Prozent in das steuerpflichtige Einkommen ein. Das heißt, im Jahr 2017 erhielt die Rentnerin aus Poggensee 16.160 Euro Rente von denen 9.798 Euro zu versteuern sind.
Ist die Rentnerin damit eine der vielen Betroffenen, die erstmals wieder eine Steuererklärung abgeben müssen? Im Beispiel hatte die Rentnerin keine weiteren Einkünfte. Von dem steuerpflichtigen Anteil ihrer Rente – also von 9798 Euro – kann sie die Werbungskostenpauschale von 102 Euro abziehen. Weitere Auslagen hatte sie nicht. Es verbleiben also Einkünfte von 9696 Euro. Diese Einkünfte liegen damit über dem Grundfreibetrag (2017: 8.820 Euro). Deshalb ist sie verpflichtet, für das Jahr 2017 erstmals wieder eine Steuererklärung abzugeben.
Muss sie auch Steuern zahlen? In diesem Beispielfall nicht, da noch die gezahlte Kranken- und Pflegeversicherung zum Abzug kommt und damit ist das zu versteuernde Einkommen geringer als der Grundfreibetrag.
Mehr Rente, höhere Steuern
Ein weiteres Beispiel: Ein Rentner aus Poggensee, alleinstehend, bezog 2016 die erste volle Jahresrente (Beginn der Rente 2015). Das heißt: 30 Prozent seiner Rente sind steuerfrei bzw. 70 Prozent müssen versteuert werden. Der Rentner aus Poggensee hat in dem Beispielfall im Jahr 2016 eine Rente von 18.000 Euro. Durch die Rentenerhöhung ab Juli 2017 erhält er 3,59 Prozent mehr Rente also insgesamt 323,10 €. Dieser Anpassungsbetrag geht zu 100 % in das zu versteuernde Einkommen ein. Von den 18.323 € wird der steuerfreie Betrag von 5.400 € abgezogen. Es verbleiben 12.923 €. Davon gehen Werbungskosten ab in Höhe von 102 €. Es verbleiben: 12.821 € Rente. Hiervon gehen ab die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung, insgesamt 1.969,72 €. Es verbleibt ein Betrag von 10.851,28 €. 2.031 € gehen über den Grundfreibetrag hinaus. Davon muss der Rentner Steuern zahlen, also 326 Euro.
Zum 1. Juli 2018 wird die Rente noch einmal erhöht um 3,37 Prozent. Dadurch erhält er in 2018 308,75 Euro mehr. Der Anpassungsbetrag beträgt dann in 2018 insgesamt 954,95 € (646,20 € von 2017 plus 308,75 aus 2018). Dieser Betrag geht zu 100 % in das zu versteuernde Einkommen ein.
Was bedeutet das für die Einkommensteuer 2018: Von seiner Bruttorente in 2018 in Höhe von 18.954 wird der steuerfreie Betrag (30% bzw. 5.400 Euro) abgezogen. Es verbleiben 13.554,90 Euro. Des Weiteren werden abgezogen: Werbungskostenpauschale (102 Euro), Sonderausgabenpauschale (36 Euro) sowie Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung (2.037,56 Euro). Es verbleiben 11.379,34 Euro, die zu versteuern sind. Im Ergebnis muss der Rentner 380 Euro Steuern zahlen.
Das bedeutet: Von den 308,75 Euro mehr Rente in 2018 gehen 33,19 Euro an die Krankenkasse und 54 Euro an das Finanzamt. Somit verbleiben dem Rentner in dem Beispiel-Fall tatsächlich nur etwa 71,76 Prozent der Rentenerhöhung.
Ruheständler sollten also im Zusammenhang mit der Rentenerhöhung im Juli prüfen, ob sie zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind bzw. ob sie jetzt auch Steuern zahlen müssen. „Im Zweifel helfen hier die Lohnsteuerhilfevereine weiter,“ sagt Kirsten Otte und rät dazu, vorsorglich Belege z.B. über Ausgaben für Behandlungskosten oder Medikamente aufzuheben: „Wer Steuern zahlen muss, der kann auch bestimmte Auslagen absetzen.“
Über die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck
Die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer ist einer der führenden Lohnsteuerhilfevereine. Sie ist deutschlandweit aktiv mit rund 300 Beratungsstellen. 2017 wurden bundesweit über 50.000 Mitglieder steuerlich betreut. 1991 ist das Gründungsjahr des Lohnsteuerhilfevereins.