Ratzeburg (aa). Im vergangenen Jahr wurden die Bahnsteige des Ratzeburger Bahnhofs erhöht. Bei eingesetzten Triebwagen der Baureihe LINT ist so ein barrierefreier ebenerdiger Einstieg in die Waggons möglich. Eigentlich. Rollstuhlfahrern wird seit dem 1. Februar Abfahrt und Ausstieg am Bahngleis 1 verwehrt. Die Begründung für diese Maßnahme ist nur in Teilen nachvollziehbar.
„Ich wollte am 4. Februar mit dem Zug nach Lüneburg fahren“, erklärt Petra Marek. Die auf den Rollstuhl angewiesene Ratzeburgerin staunte nicht schlecht, als sie am Bahnhof der Inselstadt ankam. Hier wurde ihr erklärt, dass sie nicht mit dem Zug von Ratzeburg nach Lüneburg fahren könne. Grund ist eine Sperrung von Bahnsteig 1 für Rollstuhlfahrer durch den Eisenbahnbetriebsleiter. Ersatzweise stellte die Bahn ihr ein nicht barrierefreies Taxi zur Verfügung. Petra Marek: „Das ist schon ziemlich ärgerlich, besonders für Pendler und behinderte Berufstätige, welche auf diese ÖPNV Verbindung angewiesen sind. Eine Alternative gibt es nämlich weder per Bus noch mit anderen ÖPNV Angeboten. Die behinderten Fahrgäste wären somit gezwungen von Bahnsteig 2 nach Lübeck zu fahren, dann dort umzusteigen und mit dem Regionalexpress über Hamburg nach Lüneburg zu fahren.“ Dieser Umweg würde im Vergleich zur direkten Verbindung eine zusätzliche Fahrt von rund einer Stunde bedeuten.
Doch warum Gleis 1 in Ratzeburg plötzlich für Rollstuhlfahrer nicht mehr nutzbar sein sollte, war für Petra Marek nicht erkennbar. Beim Kundenservice der Bahn wurde ihr mitgeteilt, dass „am 1. Februar 2013 beim Zug RB 21817 das Zusammenwirken von Fahrzeug – Rollstuhlrampe- Bahnsteig geprüft und für nicht geeignet bewertet wurde“. Weiter heißt es: „Die Triebwagen besitzen im Einstiegsbereich eine Einstiegshöhe von 780 Millimeter. An Bahnsteigen mit gleicher oder niedrigerer Bahnsteighöhe ist die Rollstuhlrampe im Türaußenbereich anzulegen und mittels fahrzeugseitiger Nut und an der Rampe angeschweißtem Vierkant beim Benutzen kraftschlüssig zu verbinden. Damit soll und muss ein Verschieben beim Befahren verhindert werden.
Beim Einsatz der Rampe am 1. Februar war das laut Bahn AG jedoch nicht möglich, da die Rampe im Türbereich rund zwei bis drei Zentimeter in der Luft schwebte. „Die Vierkante konnten nicht einrasten und ein Verschieben beim Befahren wäre möglich. Eine sichere Auflage im Fahrzeug und auf dem Bahnsteig war nicht gegeben. Es bestand immer eine Kippbewegung. Beim Herausfahren könnte ein Verschieben um wenige Zentimeter die Auflage verlassen. Damit droht eine unmittelbare Unfallgefahr“, so die Auskunft. Daher sei die Benutzung der fahrzeugeigenen Rollstuhlrampe nicht sicher möglich und der Bahnsteig Gleis 1 in Ratzeburg bliebe hierfür gesperrt.
Herzogtum direkt ging zusammen mit Petra Marek diesem Problem weiter auf den Grund. Auf den ersten Blick scheint es vor Ort in Ratzeburg schon mal keinen baulichen Unterschied zwischen beiden Gleisen zu geben. Angekommen am nicht gesperrten Bahngleis 2 warten wir auf den nächsten Zug von Lüneburg nach Lübeck. Der Zug fährt ein und ein freundlicher Zugbegleiter der Bahn kommt mit der mobilen Rampe, um Petra Marek Einlass in einen der Waggons zu verschaffen. Doch die Installation macht auch hier Probleme und die Rampe kippelt und hängt an einer Seite wenige Zentimeter in der Luft. Laut Zugbegleiter ein bekanntes und oft schon angemahntes Problem. Die Ursache: Die Nut, in die die Rampe einrasten soll, ist stets mit Sand verdreckt. Kein Wunder – sie befindet sich am Boden direkt im Eingangsbereich, wo täglich viele hundert Fahrgäste ein- und aussteigen.
Auch Petra Marek ist dieser offensichtliche Konstruktionsfehler hinlänglich bekannt: „Dieses Problem mit der kippelnden Rampe habe ich in jedem Bahnhof an jedem Bahnsteig. Ich bin da aber noch nie gestürzt.“ Normalerweise würde sie den Bahnbegleiter jetzt bitten, die Rampe ein Stück weiter in den Zug zu ziehen und diese mittels Fuß zu arretieren. Hier brechen wir unseren Test an diesem Tag allerdings ab und bedanken uns beim Zugbegleiter für seine Mühe.
Dass die Sicherheit der Rampe bei verschmutzter Nut nicht gewährleistet ist, scheint mehr als plausibel. Doch scheint dies ein allgemeines Problem in jedem Waggon zu sein und nicht das eines einzelnen Bahnsteiges. Warum der Eisenbahnbetriebsleiter also lediglich Bahngleis 1 in Ratzeburg für Rollstuhlfahrer sperren ließ, ist nicht nachvollziehbar. Konsequenterweise müssten alle Bahnhöfe gesperrt werden. Der Zustand für Ratzeburger Rollstuhlfahrer ist auf jeden Fall unzumutbar. Doch bis wann die Bahn hier Abhilfe schafft, bleibt offen. Petra Marek teilte man mit: „Die DB Regio AG und die DB Station & Service AG arbeiten an einer Problemlösung. Wann Ihre Erwartungen erfüllt werden können, müssen wir offenlassen.“ Herzogtum direkt rät, als kurzfristige Lösung Handsauger an alle Zugbegleiter zu verteilen, um so vor Einsetzen der Rampe die Nut schnell säubern zu können.