Ratzeburg (aa). Wer nach Ratzeburg kommt, wird früher oder später (meist früher als später) auf den Rudersport stoßen. Und sehr schnell wird ein Name fallen: Karl Adam. Er gründete nicht nur den Ratzeburger Ruderclub, er revolutionierte zudem mit seinen Trainingsmethoden den Rudersport und sammelte viele Titel bei den Olympischen Spielen sowie bei Welt- und Europameisterschaften, was letztlich auch die Stadt Ratzeburg weltweit bekannt machte. Ab heute ist eine Biografie über Karl Adam im Buchhandel erhältlich. Herzogtum direkt sprach vorab mit dem Autor, Wahl-Ratzeburger und selbst ehemaligen Leistungssportler Dirk Andresen.
Am 2. Mai dieses Jahres wäre Karl Adam 100 Jahre geworden. In Ratzeburg wurde dieser Tag selbstverständlich entsprechend gewürdigt. Auch Dirk Andresen und sein Mitautor Timo Reinke waren anwesend und stellten erste Passagen der Biografie vor. Vorgelesen von Clemens von Ramin erfuhren einerseits Eingeweihte noch ganz neue Details aus dem Leben ihres Idols, aber es wurde auch schnell klar, dass bislang Uneingeweihte nach dem Lesen dieser Biografie verstehen werden, warum Karl Adam für den Sport aber auch für die Stadt Ratzeburg eine so große Bedeutung hat.
Herzogtum direkt: Herr Andresen, was waren Ihre Beweggründe, eine Biografie über Karl Adam zu schreiben?
Dirk Andresen: Ich hatte einmal einen Termin bei Andreas von Gropper (Auditex in Ratzeburg). Da lag ein Heft mit verschiedenen Zeitungsartikeln über den Achtersieg bei der Europameisterschaft 1959 in Macôn, den die Rudergemeinschaft aus Ratzeburg und Kiel souverän gewann. Das habe ich mir durchgelesen und mir gesagt: ‚Mensch, das ist ja interessant‘. Und da fiel mir wieder ein: ‚Adam, ja klar, ein super Trainer.´ Nach dem Gespräch bin ich nach Hause gefahren und habe im Internet nachgeschaut: Was gibt es denn eigentlich über Karl Adam? Sicherlich Massen an Informationen. Aber da gab es relativ wenig – was mich sehr erstaunte. Und dann habe ich erstmal so im Scherz gesagt: ‚Dann schreibe ich eben selbst eine Karl-Adam-Biografie‘. Weil ich in Ratzeburg auch lebe, nahm das ziemlich schnell konkrete Formen an. So fing ich vor viereinhalb Jahren an zu recherchieren. Aber natürlich nicht so, dass ich jeden Tag daran saß. Als Journalist habe ich noch an anderen Projekten gearbeitet.
Hz direkt: Welches war die größte Herausforderung bei der Arbeit an der Biografie?
Andresen: Mir war bewusst, wenn jetzt oder in naher Zukunft sich niemand an diese Biografie macht, dann werden in einigen Jahren die letzten Zeitzeugen nichts mehr dazu beitragen können. Nur ein Beispiel: Der Ratzeburger Ruderclub wurde 1953 gegründet, damit die Ratzeburger Schüler bei Regatten starten konnten. Von diesen Gründungsmitgliedern, viele Lehrer der Lauenburgischen Gelehrtenschule übrigens und auch Schüler, leben nur noch zwei. Klaus von Fersen, für den eigentlich der Ruderclub gegründet wurde, und Walter Schröder. Der eine ist 81, der andere 80 Jahre alt. Beide sind zum Glück noch kerngesund. Aber was ist in 5, 10 oder 15 Jahren?
Karl Adam selbst ist schon 1976 gestorben, seine Ehefrau 2007. Die habe ich leider nicht mehr kennen gelernt. Auch sonst gibt nicht mehr so viel Zeitzeugen. Gigantisch schwer war es auch, etwas aus der Anfangszeit zu entdecken, vor allem die Jahre von 1912 bis 1948. Da etwas aufzuspüren, kostete Zeit. Das war eine Sisyphosarbeit.
Hz direkt: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Ihrem Mitautor Timo Reinke?
Andresen: Die Biografie zu einem bestimmten Zeitpunkt hin alleine schreiben zu können, war eine Fehleinschätzung. Ich hatte mich auf den 2. Mai 2012 konzentriert, den 100. Geburtstag Karl Adams. Darauf habe ich von Anfang an hingearbeitet. Doch irgendwann merkte ich, dass das von mir allein nicht zu schaffen ist. Ich rief meinen früheren Chef an und sagte ihm, dass ich nach einem Mitautor Ausschau halte. Er empfahl mir Timo Reinke, der auch Redakteur ist, zudem Historiker und aus Schleswig-Holstein stammt. Gemeinsam schrieben wir dann weiter an der Biografie, ich von Adams Anfängen an, er von seinem Tod mir entgegen, wobei Timo Reinke meine bis dahin gesammelten Recherchen gut nutzen konnte.
Hz direkt: Die beiden Zeitzeugen Klaus von Fersen und Walter Schröder haben Sie ja bereits erwähnt. Auf welche Quellen konnten Sie noch zurückgreifen?
Andresen: Da ist natürlich Gisela Adam (Karls Adams älteste Tochter) zu nennen, die mir viel Material zur Verfügung gestellt hat. Auch tolle Fotos. Ich habe aber auch einige Archive angezapft. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass Karl Adam für ein Jahr in der SA war, was mir zuerst einen gehörigen Schrecken versetzte. Adam ein Nazi? Ich war aber schon sehr früh davon überzeugt, dass Adam kein Nazi war. Zwei Bücher über die Studentenzeit 1933 in Münster (dort hat Adam studiert) haben mich in meinem Urteil bestärkt.
Wir bekamen auch Einsicht in die Stasi-Akten. Doch das waren nur elf Seiten, die etwas über Karl Adam enthielten. Da stand nicht so viel drin. Eine gute Quelle waren auch Zeitungsartikel, die teilweise recht mühsam zusammen gesammelt werden mussten. Und mir half ein dicker Band mit Zeitungsartikel über die ersten Erfolgsjahre, den ich von Ingo Kliefoth erhielt. Ingo Kliefoth war Schüler an der Lauenburgischen Gelehrtenschule, wurde 1959 Europameister im Zweiter und gehörte zum Weltmeister-Achter 1962.
Die Biografie dreht sich aber nicht nur um den Sport. Es wird auch die deutsche Geschichte mit einbezogen. Zum Beispiel wie Karl Adam und seine Athleten den Bau der Mauer erlebten. Am selben Tag wurden die Ost-West-Entscheidungen in Potsdam ausgetragen, bei denen sich die Boote aus Ost und West für die Weltmeisterschaft qualifizieren mussten. Das waren schon verrückte Tage.
Hz direkt: Welches waren die interessantesten Begegnungen oder Kontakte, die Sie im Laufe Ihrer Recherchearbeit hatten?
Andresen: Mit am interessantesten war der Kontakt zu Klaus von Fersen. Er war ein Schüler Adams und ist eigentlich dafür verantwortlich, dass Ratzeburg zur Ruderhochburg wurde. Adam hatte eigentlich gar keine Lust aufs Rudern. Adam war Boxer. Doch das Interesse seiner Schüler am Boxen an der Schule nahm immer mehr ab, während von Fersen beim Rudern immer besser wurde. Adam sah, dass hier ein riesiges Talent geformt werden musste. Um bei Meisterschaften starten zu dürfen, sind die beiden letztlich dafür verantwortlich, dass Ratzeburger Ruderclub gegründet wurde.
Und den Kontakt zu Walter Schöder kann ich gar nicht hoch genug einschätzen. Er, der 1960 bei den Olympischen Spielen im Gold-Achter, saß hat mir unendlich viele Geschichten erzählt. Und er hat mich auf Fehler aufmerksam gemacht. Ich habe selten so einen hilfsbereiten Menschen erlebt.
Hz direkt: Hat sich während der Arbeit an der Biografie Ihr persönliches Bild von Karl Adam gewandelt? Sehen Sie ihn heute in einem anderen Licht?
Andresen: Nein, ich hatte ihn mir genauso vorgestellt. Er hat mich an meinen Vater erinnert, der auch Soldat und Leistungssportler war – ich kenne diese knorrigen Typen. Ich habe es manchmal nur bedauert, dass ich nicht noch mehr über Karl Adam erfahren habe und ich ihn leider nicht persönlich kennen lernen konnte. Aber wir haben schon eine Menge aufgespürt. Ich finde es bewundernswert, was Karl Adam mit seinen unkonventionellen Methoden verändert hat. Adam hat ja den gesamten Rudersport auf den Kopf gestellt. Dafür erhielt er weltweit Anerkennung. Nicht nur für seine beeindruckende Erfolgsbilanz (14 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften). Karl Adam hat den Deutschland-Achter in die Spur gebracht und genießt noch heute hohes Ansehen.
Hz direkt: Das klingt alles nach einer großen Erfolgsgeschichte. Auch die Passagen der Biografie, die zum 100. Geburtstag Adams in der Ratzeburger Stadtbücherei vorgelesen wurden, haben eher zum Schmunzeln oder Staunen angeregt.
Andresen: Es sind auch ziemlich nachdenkliche Stellen im Buch zu finden, es wird auch sein Abstieg beschrieben. Adam war 1972 als Trainer eigentlich schon ausgestiegen, als man ihn zurückholte. Doch dann starb seine jüngste Tochter mit 19 Jahren an Krebs. Das war unmittelbar vor den Olympischen Spielen. Dann folgte „nur“ ein fünfter Platz in München. Eigentlich ein Debakel für den deutschen Ruderstport – weil man mit Adam eigentlich immer ganz andere Platzierungen in Verbindung brachte. Seine Gegner fühlten sich auf einmal stark genug, kräftig gegen ihn Stimmung zu machen. Und Adam wollte und konnte nicht mehr so kämpfen wie früher.
Ich habe vielleicht auch einige Dinge gerade gerückt, sie so geschrieben, wie sie waren. Adam wurde 1937 im Boxen Studentenweltmeister im Schwergewicht. Dass aber in der Gewichtsklasse nur drei Sportler antraten und Adam zudem in der ersten Runde ein Freilos erwischte, das wissen viele gar nicht. Damit möchte ich seine Leistung nicht mindern, nur ein wenig in Relation setzen.
Ich denke und hoffe, dass derjenige, der die Biografie liest, der Person Karl Adam ziemlich nahe kommt.
Hz direkt: Herr Andresen, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Buch „Karl Adam – Vater des Deutschland-Achters“ ist ab heute (24. Juli) im Buchhandel erhältlich.
ISBN 978-3-00-038151-5
Weitere Infos gibt es auch unter www.karladam.de.